Technik im Alltag. Risikogesellschaft und Selbstzerstörung

Ausgabe: 1988 | 4

Der einfache Titel sollte nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich eine gewissenhafte Annäherung an den Gegenstand als schwierig herausstellt. Die Soziologie hat sich zwar beider Bereiche angenommen und sie doch bisher weitgehend getrennt betrachtet. Technik war vor allem in ihren vielfältigen Auswirkungen auf den Arbeitsprozeß von Interesse. Auf der anderen Seite sucht eine Kommunikations-, Freizeit- oder Sportsoziologie jene Bereiche gesellschaftlich kulturellen Lebens zu bestimmen, die den außerberuflichen Alltag kennzeichnen. Wer indes nur versucht, die Dimensionen von "Alltag" und "Technik" zu erfassen, muß einiges an gedanklicher Anstrengung auf sich nehmen. "Alltäglich" kann beispielsweise "unzureichend rational", "nicht professionell" oder aber eine räumliche Kategorie (Haushalt, Freizeit) bedeuten. Die sechs Beiträge dieses Bandes gehen demnach von verschiedenen Seiten an das Thema heran, fragen zum Beispiel danach, wie es zu unterschiedlichen Formen der Technikabneigung im Alltag kommt (Hörning) oder suchen offenzulegen, inwieweit Technik kulturelle Gestaltungsspielräume erschließt bzw. einengt. Die Auffassung, nach welcher eine industriell definierte, harte Technik gleichsam von außen den Alltag einseitig überfrachtet, wird zurückgewiesen. Erstaunlicherweise trägt der hier gewählte Ansatz nur wenig zur Frage der Sozialverträglichkeit bei. Die technologiepolitische Debatte, so wird argumentiert, unterstellt stabile Ursachen Wirkungszusammenhänge, reduziert demnach das Problem zu sehr (Ropohl). Joerges spricht von "Folgenrhetorik", die "einem schleichenden Determinismus Vorschub leistet" und so zu einer "Dramatisierung der Konsequenzen von Störungen beiträgt".

Wie vor allem K. Hörnig verdeutlicht, gilt es den "Mythos der getrennten Welten" zu durchschauen, Technik- und Kultur/Gesellschaft nicht gegenüber- und gegeneinanderzustellen, sondern in ihrer vielschichtigen und zunehmenden Durchdringung zu begreifen. In diesem Sinne sind Einwände gegen den drohenden Kulturverlust durch Technik (G. Anders) und die Forderung nach einer „dialektischen Betrachtungsweise" angemessen. Auf der anderen Seite aber - und gerade die Ökologiedebatte macht dies Tag für Tag deutlich - kann nicht geleugnet werden, daß uns die erwarteten oder auch nur versprochenen Triumphe der Technik, denen sich die Risikogesellschaft aussetzt, bis an den Rand der Welt- und Selbstzerstörung herangeführt haben.

Technik im Alltag. Hrsg. v. Bernward Joerges. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1988.211 S. (Suhrkamp Taschenbuch wissenschaft; 755) DM 7,20/sfr 6, 10/öS 56,-