Michio Kaku ist Professor für Theoretische Physik an der City University of New York. Er kann verständlich über sein Fach reden und nachvollziehbar über die Zukunft schreiben. Sein Buch „Abschied von der Erde“ handelt von den kommenden Jahrhunderten und beschreibt, wie sich die menschliche Zivilisation weiter- und vom Planeten Erde wegentwickeln wird. Bei Kaku ist die Triebfeder der Entwicklung die Entdeckung neuer technischer Möglichkeiten.
Fünf Wellen wissenschaftlicher Revolutionen und die daraus erwachsenden Möglichkeiten beschreibt der Autor. Die erste Welle im 19. Jahrhundert basierte auf der Theorie der Thermodynamik. Dank Dampfmaschine und Eisenbahn nahm die industrielle Entwicklung Schwung auf. Es folgte die zweite Welle: Im 20. Jahrhundert wurden mit Elektrizität und Magnetismus unter anderem die Grundlagen für Dynamos, Radio und Radar geschaffen. Im 21. Jahrhundert folgt die dritte: Quantenphysiker und andere bescheren uns High-Tech-Geräte wie Transistoren, Laser, GPS und anderes. Kaku weiß auch, wie die vierte Welle aussehen wird, denn es gibt dafür schon ausreichend Anzeichen: Künstliche Intelligenz, Nanotechnologie und Biotechnologie geben uns neue Möglichkeiten. Selbstreproduzierende Roboter, stabile und leichte Nanomaterialien und gentechnisch veränderte Pflanzen werden in unser Repertoire eingeordnet. Sogar für die fünfte Welle technischer Entwicklung hat er Bilder: Nanoschiffe, Lasersegel, Staustrahltriebwerke mit Fusionsantrieb und Antimaterie-Antriebe sind laut Kaku denkbar. Mehr dazu später.
All diese Entwicklungen machen es immer wahrscheinlicher, dass wir zu anderen Planeten fliegen werden können, argumentiert Kaku. Es mache es auch wahrscheinlicher, dass wir diese Planeten bewohnbar gestalten können. Hier kommen die selbstreplizierenden Roboter und die genmanipulierten Pflanzen ins Spiel. Es werde auch denkbar, dass die Planeten weiter entfernt sein können, zu denen wir reisen. Die Stichworte der fünften Welle wissenschaftlicher Erneuerung geben die Hinweise. Und schließlich werden die Menschen aufgrund der großen Distanzen auch zwischen den Sternen ihren Platz zum Leben finden. Auch das ist für Kaku schon jetzt denkbar.
Technische Möglichkeiten und technische Hoffnungen
Es ist eine Revue des Ausdeklinierens technischer Möglichkeiten und technischer Hoffnungen, die dieses Buch lesenswert macht. Kaku vermittelt, welche Technologien welche Möglichkeiten eröffnen könnten. Beispiele? Beginnen wir mit den Nanoschiffen: Von Stephan Hawking entwickelte Idee, komplexe Chips mit geringem Gewicht, ausgestattet mit Segeln, die von auf der Erde stationierten Batterien mit Hilfe von Lasern angetrieben werden. Die Schiffe könnten 20 Prozent der Lichtgeschwindigkeit erreichen. Fusionsraketen: Raketen mit folgendem Antrieb: Wasserstoffgas wird in einem starken, reifenförmigen Magnetfeld eingeschlossen und dann auf einige Millionen Grad erhitzt. Wasserstoffatome kollabieren miteinander und verschmelzen zu Heliumkernen, wobei Kernenergie frei wird. Antimaterie-Antrieb: Wenn Materie und Antimaterie kollidieren, zerstrahlen beide in reiner Energie. Bei der Konzeption des Baus gibt es leider noch ernste Probleme.
Die Zukunft wird sein, was technisch machbar ist? So informativ es ist, über die Perspektiven der technischen Entwicklung nachzudenken, so unreflektiert ist man hier, wenn es darum geht, zu klären, wie die Technologie durch wen eingesetzt wird. Bei Kaku spricht die Menschheit in der „Wir“-Form, wie hier: „Das Problem der Killerroboter lässt sich weitgehend eliminieren, indem man verhindert, dass jemand ihnen Ziele einprogrammiert, die für die Menschheit schädlich sind.“ Und weiter: „Wenn selbstbewusste Roboter tatsächlich Realität werden, müssen wir sie mit einem Fail-Safe-Chip ausstatten, der sie abschaltet, wenn sie auf mörderische Gedanken kommen.“ (S. 188). Die „Killer-Roboter“ sind nur ein Beispiel dafür, wie gesellschaftliche Verhältnisse bei der Entwicklung und Anwendung von Technologie in dieser Analyse ausgeblendet werden: Es kann sein, dass Entscheidungsträger bei bestimmten Entwicklungen wollen, dass Roboter töten. Es kann sein, dass es kulturellen Konsens gibt, dass das geschieht, dass genau dieses Töten für die Menschheit nicht schädlich ist. Dann wird alles komplizierter. Und besser gesagt: Es wurde bereits komplizierter im Angesicht des Einsatzes von Drohnen zur Erreichung von Kriegszielen. Sie töten schon und die entscheidenden Öffentlichkeiten finden es gut.