Susanne Götze, Annika Joeres

Susanne Götze, Annika Joeres: Durstiges Land

Ausgabe: 2024 | 1
Susanne Götze, Annika Joeres: Durstiges Land

Susanne Götze und Annika Joeres sind zwei deutsche Journalistinnen, die für „Der Spiegel“ bzw. „Die Zeit“ arbeiten und hier ihr drittes gemeinsames Buch zur Klimakrise vorlegen. Den Schwerpunkt legen sie diesmal auf das Wasser, einen in diesem Zusammenhang oft unterschätzten Aspekt, wie sie einleitend betonen. „Lange hieß es: Deutschland hat genug Wasser. Die Schweiz und Österreich sind wasserreiche Länder. Solche Aussagen sind ein gefährlicher Irrtum“ (S. 14).

Sechs Geschichten im Fokus

Um zu veranschaulichen, was in den nächsten 20 Jahren auf uns zukommen kann, gehen die Autorinnen einen eigenwilligen, höchst interessanten Weg. Sie packen das über Interviews mit Expert:innen und durch aktuelle Fachliteratur gesicherte Faktenwissen in sechs Geschichten mit ganz konkreten Menschen, die erleben, welche Rolle das Wasser in ihrem Leben Mitte der 2040er Jahre spielt. Das Besondere an diesen „sechs Reisen in die Wasserkrise der Zukunft“ (S. 7): jede dieser Geschichten wird nicht nur in einer negativen Variante („Worst Case“), sondern auch in einer positiven Variante („Best Case“) erzählt.

„Paula und die Stadt“ spielt in Berlin. Paula, eine im Umweltbundesamt angestellte Mitt-Dreißigerin, nimmt uns mit durch ihre Stadt in den 2040er Jahren. Hier leben inzwischen viele Flüchtlinge aus Südeuropa, denen dort wegen der zunehmenden Trockenheit die Lebensgrundlagen weggebrochen sind. Themen, die angesprochen werden, sind u. a. Rationierung von Wasser in einer Großstadt, Trinkwassergewinnung durch Entsalzungsanlagen, oder auch Vertical Farming als Option für Großstädte. Es wird sehr konkret erlebbar, wie gut oder weniger gut gewissenhafte Beamt:innen ihren Kontrollaufgaben nachgehen können, abhängig von den herrschenden Rahmenbedingungen.

„Feti und der Fluss“ beschreibt die Situation eines 70-jährigen Schiffsführers in Duisburg, dem größten Binnenhafen der Welt, der sein ganzes Leben lang vom Transport von Gütern auf dem Rhein gelebt hat. Mit dem austrocknenden Rhein („Worst Case“) und der nachlassenden Nachfrage nach Transportgütern verändert sich sein Leben radikal, jede Fahrt im viel zu niedrigen Rhein wird zur existenziellen Herausforderung.

„Georg und der Wald“ spielt am Ostabhang des Harzes, wo die Trockenheit vor allem in Form von Waldbränden daher kommt. Das Flüchten davor, mit allen seinen Facetten bzw. Strategien, um mit der Gefahr von Waldbränden besser fertig zu werden, existenzielle Abhängigkeiten von den Waldbesitzern, und die sich verändernde Bedeutung von Skitourismus stehen im Mittelpunkt dieser beiden Geschichten.

Was bedeuten niedrigere Wasserstände für industrielle Abwässer, die über Flüsse abgeleitet werden? Die Auswirkungen von erhöhten Konzentrationen von Pharmazie-, Kosmetik- oder Plastikrückständen beleuchtet „Miriam und das Werk“ am Beispiel eines großen arzneimittelproduzierenden Betriebs in der Gegend von Ludwigshafen am Rhein. Neben gesundheitlichen Aspekten spielen hier Jobabhängigkeiten eine zentrale Rolle.

„Romain und der Berg“ spielt zwar in der Schweiz, könnte aber genauso gut in Österreich angesiedelt sein. Das Dahinschmelzen der Gletscher, der Ausverkauf der Berglandschaft, der manchmal starrköpfige Kampf von einzelnen Engagierten gegen die zunehmende Naturausbeutung zugunsten des Tourismus, die Macht der Seilbahnbesitzer… das kommt einem als Salzburger doch alles mehr als bekannt vor!

„Alina und die Ernte“ schildert die Nöte von Bäuerinnen und Bauern, die sich – angesichts von prekärer werdenden Bedingungen für die Landwirtschaft – gezwungen sehen, reichen Monaco-Flüchtlingen auf der Suche nach einer neuen Heimat, große Teile ihres Grunds zu verkaufen und sich bei den neuangesiedelten Reichen anzudienen. In der positiven Variante ist es die solidarische Landwirtschaft, die neue Wege eröffnet.

Die sechs Geschichten ziehen ihren Reiz aus der Tatsache, dass die handelnden Personen in beiden Varianten dieselben sind, mit sympathischem Wiedererkennungseffekt als Folge. Man kennt also die handelnden Personen schon, diese bewegen sich nur in unterschiedlichen Rahmenbedingungen, und erleben hierdurch ein ganz anderes Leben.

Ein Buch, das Hoffnung macht

Trotz aller Schwierigkeiten, die sich aus dem absehbaren Verfehlen des 1,5 Grad-Ziels ergeben (die Autorinnen gehen von 2,4 Grad aus, S. 13), machen die sechs positiven Geschichten doch viel Hoffnung. Die Zukunft muss nicht dystopisch werden: die 2040er-Jahre können durchaus eine lebenswerte Zeit werden, allerdings braucht es dafür ein großes, radikales Umsteuern auf der politischen Ebene. Im Buch passiert dieser Neuanfang – durch den die Best-Case-Geschichten erst möglich werden – nach der „großen Dürre 2029“. Ob unsere Gesellschaften in der Lage sein werden, aus einer solchen denkbar werdenden Katastrophe die richtigen Schlüsse zu ziehen und neue Weichen Richtung Zukunft zu stellen, wird die Zukunft zeigen.