IPCC (Hg.)

IPCC (Hg.): Climate Change 2023

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IPCC (Hg.): Climate Change 2023

Dreißig Wissenschaftler:innen aus allen Kontinenten haben am Synthesebericht „Climate Change 2023“ des International Panel of Climate Change (IPCC) mitgewirkt. In der Zusammenfassung für Entscheidungsträger:innen werden u. a. folgende zentrale Aussagen gemacht: „Human activities, principally through emissions of greenhouse gases, have unequivocally caused global warming, with global surface temperature reaching 1.1°C above 1850-1900 until 2011-2020.“ Die globalen Treibhausgasemissionen seien weiter gestiegen, jene laut den Maßnahmenzusagen der Staaten für das Jahr 2030 (Nationally Determined Contributions) lassen laut Bericht eine Erwärmung von mehr als 1,5 °C im 21. Jahrhundert wahrscheinlich werden und würden es schwieriger machen, die Erwärmung auf unter 2 °C zu begrenzen. Es bestehen Lücken zwischen den prognostizierten Emissionen aus umgesetzten Maßnahmen und den von den Ländern versprochenen Reduktionen. Zudem würden die derzeitigen Finanzmittel nicht ausreichen, um die Klimaziele in allen Sektoren und Regionen zu erreichen. Eine Grafik zeigt, dass die heute Geborenen in den Szenarien mit geringen Maßnahmen mit einer Globaltemperaturerhöhung von 4 Grad rechnen müssen, wenn sie im Ruhestandsalter sein werden. Doch auch die 1980 Geborenen würden noch stark betroffen sein. Ein Beispiel: „At sustained warming levels between 2°C and 3°C, the Greenland and West Antarctic ice sheets will be lost almost completely and irreversibly over multiple millennia, causing several metres of sea level rise.“

Die Folgen für die Ökosysteme verschärfen sich, Auswirkungen auf die Ernährungssituation sind dramatisch

Zudem wird erneut beteuert, dass die Folgen für die Ökosysteme sich weiter verschärft haben und die vulnerabelsten Regionen am meisten treffen: „Vulnerable communities who have historically contributed the least to current climate change are disproportionately affected.“ Der Gruppe der hochgradig Vulnerablen werden 3,3 bis 3,6 Mrd. Menschen zugeordnet. Zwischen 2010 und 2020 sei die Sterblichkeit in diesen Regionen aufgrund von Fluten, Dürren und Stürmen fünfzehn Mal höher gewesen im Vergleich zu Regionen mit geringer Vulnerabilität. Die Auswirkungen auf die Ernährungssituation sei dramatisch. Etwa die Hälfte der Weltbevölkerung leide derzeit zumindest für einen Teil des Jahres unter schwerer Wasserknappheit, was auf eine Kombination aus klimatischen und nichtklimatischen Ursachen zurückzuführen sei. Das Auftreten klimabedingter, durch Lebensmittel und Wasser übertragener Krankheiten sei verstärkt wahrnehmbar. Zudem verschärfe sich die Erhitzungskrise in den Städten.

Klimawandelanpassung unzureichend

Auch im Bereich der Klimawandelanpassung seien wir säumig. Es bestehen weiterhin große Lücken, die bei dem derzeitigen Umsetzungstempo weiter zunehmen würden, so der Bericht. In einigen Ökosystemen und Regionen seien „harte und weiche Grenzen“ der Anpassung erreicht worden. In einigen Sektoren und Regionen komme es zu Fehlanpassungen. Die derzeitigen globalen Finanzmittel zur Anpassung reichten nicht aus, Anpassungsoptionen insbesondere in Entwicklungsländern zu fördern. Auch hier seien ärmere Menschen stärker benachteiligt. Generell wird darauf hingewiesen: „Adaptation does not prevent all losses and damages, even with effective adaptation and before reaching soft and hard limits.“

Auch die Zukunftsprognosen des IPCC-Berichts stimmen nicht zuversichtlich: Die globale Erwärmung werde in naher Zukunft (2021–2040) weiter zunehmen, hauptsächlich aufgrund der erhöhten kumulierten CO2-Emissionen in fast allen betrachteten Szenarien und modellierten Pfaden. Die Folgen sind bekannt: „Continued emissions will further affect all major climate system components. With every additional increment of global warming, changes in extremes continue to become larger.“ Die Warnung der Autor:innen: Für jedes zukünftige Erwärmungsniveau seien viele klimabedingte Risiken höher als im Vorgängerbericht bewertet, und die prognostizierten langfristigen Auswirkungen seien bis zu einem Vielfachen höher als derzeit beobachtet. Risiken und prognostizierte negative Auswirkungen sowie die damit verbundenen Verluste und Schäden durch den Klimawandel eskalierten mit jedem Anstieg der globalen Erwärmung. Klimatische und nichtklimatische Risiken würden zunehmend interagieren, wodurch zusammengesetzte und kaskadierende Risiken entstehen, die komplexer und schwieriger zu bewältigen seien.

Irreversible Veränderungen

Einige zukünftige Veränderungen seien unvermeidbar und/oder irreversibel, könnten jedoch durch eine tiefgreifende, schnelle und nachhaltige Reduzierung der globalen Treibhausgasemissionen begrenzt werden. Die Wahrscheinlichkeit abrupter und/oder irreversibler Veränderungen steige jedoch mit zunehmender globaler Erwärmung, ebenso die Wahrscheinlichkeit von Auswirkungen mit bisher geringer Wahrscheinlichkeit, die mit potenziell sehr großen negativen Auswirkungen einhergehen.

Nicht zuletzt argumentieren die Expert:innen mit den zu vermeidenden Folgekosten. Eine tiefgreifende, schnelle und nachhaltige Eindämmung der Risikofaktoren sowie eine beschleunigte Umsetzung von Anpassungsmaßnahmen würden in diesem Jahrzehnt die prognostizierten Verluste und Schäden für Menschen und Ökosysteme merklich verringern, ihr Scheitern in der weiteren Zukunft die Kosten jedoch drastisch erhöhen.

Die Schlussfolgerung ist eindeutig: „Limiting human-caused global warming requires net zero CO2 emissions.“ Die kumulierten CO2-Emissionen bis zum Erreichen der CO2-Netto-Null-Emissionen und das Ausmaß der Reduzierung der Treibhausgasemissionen in diesem Jahrzehnt bestimmen laut Bericht weitgehend, ob die Erwärmung auf 1,5 °C oder 2 °C begrenzt werden kann. Wenn dies nicht erreicht wird, müsse danach mit Maßnahmen der CO2-Abscheidung auf Negativemissionen gesetzt werden, was mit erheblichen Risiken verbunden sei. Das heißt: die nächsten Jahre werden entscheidend sein, ob der Schwenk in Richtung noch managebarer Klimaerwärmung gelingen wird. Denn: „There is a rapidly closing window of opportunity to secure a liveable and sustainable future for all.“

Ein alarmierender Bericht

Der Bericht ist alarmierend und müsste zum sofortigen, wirksameren Umsteuern führen. Da die Publikation eine gewisse Vorlaufzeit hat, etwa für Reviewprozesse, könnte die Lage aktuell noch schlimmer sein – das Jahr 2023 ist auf dem besten Weg, das wärmste seit den bisherigen Temperaturaufzeichnungen zu werden. Der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber hat kürzlich davor gewarnt, dass das Klimasystem bereits aus den Fugen und das 1,5 Grad-Ziel nicht mehr erreichbar sei. Um irreversible Schäden zu verhindern, müssten nicht nur klimaneutrale, sondern klimapositive Maßnahmen gesetzt werden. Schellnhuber plädiert für eine weltweite, gigantische Aufforstungsaktion sowie das Bauen mit Holz, um Klimapositivität zu erreichen.