Als Jurist, Lektor und Autor philosophischer wie literarischer Texte ausgewiesen, ist der Verfasser vor dem Verdacht fachspezifischer Verengung gefeit. Sein Plädoyer für "Die Stadt als Gesamtkunstwerk" und "Für die Kultur-Totale" - so die Titel der hier wiedergegebenen Texte - fällt mithin auch in der beabsichtigten Provokation glaubwürdig aus. Von der Zweckfreiheit der Kunst ausgehend, die in ihrer Vielfalt seit jeher dem Urbanen verbunden ist, definiert Gast die Funktion der Kunst als „Ersatzreligion ", ohne sie auf die Restauration und Subventionierung des museal gehüteten "Hochwertigen" zu beschränken. Mit der industriellen Verfügbarkeit gewinnt vielmehr auch die Welt des Konsumierbaren, die Warenästhetik, kulturelle Dimension und erweist sich die Unterscheidung von" freier" und "angewandter" Kunst als obsolet.' In den architektonisch wie ästhetisch vielfältig gestalteten städtischen Passagen wird das Zusammenspiel von Architektur, Design und Werbung unmittelbar erfahrbar. In den "Randbemerkungen über Kulturmeilen und andere Holzwege" attackiert Gast mit erfrischender Klarheit die "heillose Beschränktheit" einer Mentalität, die der museal verpflichteten Gesellschaft die Funktion des "Sondermüll-Managements" zuweist, anstatt die "ganze Stadt als Ort der Kunsterfahrung " zu begreifen. Nicht der Beliebigkeit wird damit das Wort geredet, sondern der Ausbildung eines "kritischen Vermögens", das" immer und überall eingreifen soll". Dass ein solches Kunstverständnis Wesentliches zur Ausbildung von Zukunftsentwürfen beizutragen hätte, wird impliziert, aber nicht näher dargestellt.
Gast, Wolfgang: Stadtkultur. Zur Ästhetik des Urbanen. Heidelberg: Decker & Humboldt, 1991. 365., DM 22,-/ sFr 18,70 / öS 171,60