Ein Kulturwissenschaftler auf dem Fahrrad

Ausgabe: 1991 | 4

Der Wiener Soziologe hat vor allem durch seine Form der Feldforschung - nicht immer nur wohlwollend von sich reden gemacht. Als teilnehmender Beobachter hat er das Leben der Bergbauern und Wilderer, der "feinen Leute" und des Prostituiertenmilieus erkundet und beschrieben. Nun hat er sich selbst zum Außenseiter, sprich Radfahrer, gemacht. In 16 Tagen radelt er von Bad Aussee über Salzburg, Tirol und Bayern wieder zurück zu seinem Ausgangspunkt, fröhnt dabei so richtig der Rolle des Vaganten und bekommt via Rad-Dress seinen Status hautnah zu spüren. Die Grenzen, die Girtler suchte, hat er in vielfältigen Formen gefunden: er überwindet Gebirgspässe, Landes- und Staatsgrenzen, die Stammtischgrenzen im Landgasthaus. Ausführliche kulturkritische Überlegungen stellt er u.a. über Männlichkeitsriten, die Buntheit der Gaunersprache, verschiedene Trinkkulturen und über die "moderne" Grenze der Zeit an. Den noch unter den Vorfahren der Tiroler Bauern üblichen Gruß "Zeit lassen", sieht Girtler dem touristischen Ausverkauf anheimgefallen. "Dem Fahrrad eine Gasse" bzw. "Dem Soziologen ein Phänomen" könnte als Motto dieses ebenso amüsanten wie informativen Fahrtenbuches gelten. 

Girtler, Roland: Über die Grenzen. Ein Kulturwissenschaftler auf dem Fahrrad. Linz: Veritas Verl., 1991. 208 5., ÖS 268,- / sFr 29,10 1 DM 34,40