Elmar Schüll, Heiko Berner, Martin Lu Kolbinger, Markus Pausch

Soziale Innovation im Kontext

Ausgabe: 2023 | 2
Soziale Innovation im Kontext

Elmar Schüll, Heiko Berner, Martin Lu Kolbinger und Markus Pausch von der Fachhochschule Salzburg haben den Sammelband „Soziale Innovationen im Kontext“ vorgelegt. Ihnen geht es darum, den Begriff der „Sozialen Innovation“ zu schärfen.

Eine Begriffserklärung

Die Begriffe „soziale Innovation“ und „sozialer Innovator“ seien erstmals zu Beginn des 19. Jahrhundert aufgetaucht, berichten Jürgen Howaldt und Michael Schwarz in ihrem Beitrag. Das sei lange vor der technischen und ökologischen Aneignung des Begriffs „Innovation“ gewesen. Die Bedeutung habe sich stets gewandelt, eng verbunden mit gesellschaftlichen Transformationsprozessen. Zuerst waren die Begriffe mit sozialistischer Transformation der Gesellschaft verbunden gewesen, in den Debatten über Sozialreform standen sie für Problemlösungen innerhalb etablierter Ordnungen. In der Wissenschaft sei versucht worden, den Begriff für einen spezifischen Typus graduellen Wandels nutzbar zu machen. Zitiert wird in der Folge William F. Ogburn, der in der Innovation als „die Kombination oder Modifikation von vorhandenen und bekannten materiellen und/oder immateriellen Kulturelementen zur Herstellung eines neuen Elements [… ] die wichtigste Ursache des Wandels erkannte.“ (S. 10)

Fragen zu Abgrenzung, sozialtechnischen und demokratischen Aspekten

Elmar Schüll versucht in seinem Beitrag „Zur Normativität sozialer Innovationen“ diese von anderen Konzepten abzugrenzen. Er schlägt dabei vier Elemente vor. Erstens muss eine Neu- und Andersartigkeit im Vergleich zur Fortsetzung der bestehenden Praxis oder ihrer nur inkrementalen Weiterentwicklung oder der Umsetzung eines Handlungsplanes vorliegen. Zweiten muss ein gewisses Maß an Verbreitung feststellbar sein. Dieses Kriterium der „Diffusion, Verbreitung und Verstetigung“ soll die soziale Innovation von der zufälligen Variationen abgrenzen. Drittens wird die Innovation vom Konzept des sozialen Wandels abgegrenzt, indem eine Intentionalität gefordert wird. Schließlich nennt Schüll als viertes Element „positive gesellschaftliche Auswirkungen“.

Das zuletzt genannte Kriterium ist freilich mit Fallstricken verbunden. Was ist „positiv“? Schüll ist sich dessen bewusst und argumentiert, dass soziale Innovationen sich als überlegene Alternative erweisen und deshalb von den Gesellschaftsmitgliedern wahrgenommen, weiterkommuniziert, übernommen und angewandt werden. Aber was ist der Maßstab für diese positive Beschreibung? Schüll verweist auf die Kontingenzen gesellschaftlicher Wertesysteme und somit  auf „ethische Überlegungen und derzeit anerkannte, begründete und formal fixierte Zieldimensionen gesellschaftlicher Entwicklung“ (S. 58). Das Wissen um die Normativität sozialer Innovationen zwingt freilich dazu, diese transparent zu machen.

Im Beitrag von Axel Zweck und Eva Cebulla geht es um sozial-technische Innovationen. Sie zeigen, dass diese nicht voneinander getrennt betrachtet werden können. Das Wechselspiel sei als iterativer Prozess zu verstehen, so die Conclusio. (S. 76)

Den Faden von Elmar Schüll nimmt Markus Pausch auf, wenn er über soziale Innovationen in Demokratien schreibt. In Demokratien lege die soziale Innovation seit den 1960er- und 1970er-Jahren „zumindest implizit einen normativen Anspruch an, der ohne Mindeststandards der Demokratie kaum auskommt. Darunter können das Vertrauen zwischen Wähler*innen und Gewählten fallen, die rationale Abwägung von Nutzen und Kosten sowie die Beteiligung der Betroffenen.“ (S. 173)

Eine breite Palette an Perspektiven

Andere Beträge widmen sich sozialen Innovationen bei der Digitalisierung im Bildungsbereich (Inka Bormann und Inga Truschkat), dem Zusammenhang von Empowerment und sozialer Innovation (Heiko Berner), der Perspektive der „Social Citizen Science“ (Claudia Göbel und Justus Henke), den Sparkassen und Genossenschaftskassen als Bespiele für soziale Innovationen (Christian Dirninger), Fragen der sozialen Innovation in und durch die öffentliche Verwaltung (Rahel Schomaker, Christina Lobnig, Carsten Deckert), der räumlichen Dimension sozialer Innovation (Tatjana Baczy, Yuri, Kazepov, Tatiana Saruis), der Fridays-for-Future-Bewegung (Martin Lu Kolbinger) und weiteren projektbezogenen Transformationsvorhaben auf dem Weg zur Klimameutralität (Jörg Kosinski und Annamaria Riemer).