Eine konsequente Abkehr von der kapitalistischen Produktionslogik fordern Andreas Exner und Brigitte Kratzwald in ihrer Einführung „Solidarische Ökonomie & Commons“. Sie plädieren für den Aufbau von Wirtschaftsstrukturen, die sich von den Prinzipien der Konkurrenz und des monetarisierten Gütertausches lösen. Einer Kritik von Marktwirtschaft und Kapitalismus lässt das Autorenduo - Exner arbeitet im Umweltbüro Klagenfurt, Kratzwald betreibt als freie Sozialwissenschaftlerin die Website commons.at - Beispiele und Ansätze einer solidarischen Ökonomie folgen. Diese reichen von Erzeuger-Verbraucher-Initiativen, sogenannter Communty Supported Agriculture, und den neuen Bewegungen des Urban Gardening über Energiegenossenschaften bis hin zu Produktionsbetrieben in Arbeiterhand, wie sie unter Hugo Chavez in Venezuela gefördert werden. Aber auch die ausführlich vorgestellte Kibbuzim-Bewegung in Israel sowie die seit den 1960er-Jahren in Japan bestehenden Konsumgenossenschaften, in denen sich vor allem Frauen mit dem Ziel zusammengeschlossen haben, Lebensmittel guter Qualität zu annehmbaren Preisen zu erhalten, zählen für Exner und Kratzwald zu den Vorbildern für eine Solidarische Ökonomie. Etwa 20 Prozent der japanischen Bevölkerung sind in über 600 Konsumgenossenschaften organisiert.
Exner und Kratzwald sind sich bewusst, dass es sich bei diesen alternativen Wirtschaftsformen um Nischen handelt, die auf Reziprozität und Selbstverwaltung basieren. Es handle sich dabei jedoch um Modelle eines Übergangs oder, wie die AutorInnen es nennen, um „Halbinseln gegen den Strom zur Gewinnung von Land“ (S. 92). Große Hoffnungen werden in Genossenschaftsunternehmen gesetzt - denn laut International Cooperative Alliance sind weltweit rund 800 Millionen Menschen Mitglieder von Genossenschaften, die etwa 100 Millionen Arbeitsplätze umfassen. Neue Akzente erwarten Exner und Kratzwald sich schließlich auch von der Commons-Bewegung im Bereich der Informationstechnologien.
Der Band gibt informative Einblicke in alternative Wirtschaftsformen, dabei werden - was hoch einzuschätzen ist - die Probleme der Projekte nicht ausgeblendet. Wie groß die "Landnahme" durch die vorgestellten Ansätze in nächster Zukunft ausfallen wird, bleibt freilich offen. Der Wunsch nach sinnvollem Tätig-Sein zum einen sowie sich verschärfende Krisen im Kapitalismus zum anderen könnten diesen Bewegungen aber durchaus Auftrieb geben, wie etwa die Zunahme von Food Coops oder Energiegenossenschaften zeigt. H. H.
Exner, Andreas; Kratzwald, Brigitte: Solidarische Ökonomie & Commons. Eine Einführung. Wien: Mandelbaum, 2012. 138 S., € 10,- [D], 10,30 [A], sFr 13,50
ISBN 978-3-85476-607-0