Petra Eickhoff et al. (Hg.)

Schule handeln in der Klimakrise

Online Special
Schule handeln in der Klimakrise

Schulen handeln in der Klimakrise – der Titel dieses Bandes hat mich zunächst irritiert. Es ist Aufgabe der Politik sowie der Unternehmen, endlich Maßnahmen zur Eindämmung der Erderwärmung zu setzen, und nicht jene der Jugendlichen, dachte ich. Doch beim Lesen des Buches revidierte ich meine Einschätzung. Das Team um Petra Eickhoff, Stephan Geffers, Hanna Göhler, Rainer Kopp und Michael Wildt hat mit „Change School“ ein beeindruckendes Projekt umgesetzt und hier dokumentiert. 15 Schulen, 13 aus Nord-Rhein-Westfalen und je eine aus Kolumbien und Nigeria, haben sich auf den Weg gemacht, ihren Beitrag zur ökologischen Transformation zu leisten. Auf dem „Change School Summit 2020“ trafen sich Lehrende und Schüler:innen dieser Schulen, diskutierten mit Expert:innen, tauschten sich untereinander aus und entwarfen Pläne für die Beiträge ihrer Schule zum Klimaschutz.

Der Band umfasst Porträts der mitwirkenden Schulen sowie deren (erste) Aktivitäten nach dem Summit und dokumentiert die Vorträge und Workshops der Veranstaltung sowie Reflexionen von Beteiligten. Fünf Ziele nennen Eickhoff und Geffers im einleitenden Beitrag für den Summit: „Wissen vertiefen“, „Aus Wissen Können machen“, „Lernprozesse partizipativ und selbstverantwortlich gestalten“, „Austausch und Reflexion ermöglichen“ sowie schließlich „Ermächtigen und Befähigen, nachhaltige Veränderungen an der eigenen Schule auf den Weg zu bringen“ (S. 12), Ziele, die für Lernprozesse generell gelten können. Betont wurde das gemeinsame Lernen aller Beteiligten: von Schüler:innen, Eltern, Lehrer:innen, zivilgesellschaftlichen Akteur:innen und Schulentwickler:innen. Mit an Bord waren Einrichtungen der Forschung wie das Wuppertal Institut oder die Ruhr-Universität Bochum ebenso wie der Zivilgesellschaft und des Schulbereichs wie das Forum Eltern und Schule, der Schulentwicklungsberater Michael Wildt oder die Organisationsberaterin Hanna Göhler.

„Guidebook für transformative Bildung“

In diesem Sinne enthält der Band, ein „Guidebook für transformative Bildung“, neben fachlichen Inputs, die den menschengemachten Klimawandel anschaulich erklären und die Dringlichkeit des Handels einmal mehr vermitteln, auch Reflexionen über die Transformation des Schulsystems, um Zukunftskompetenzen wie den Umgang mit Unsicherheiten, Nachhaltigkeitsdilemmata und Interessenskonflikten sowie Demokratielernen und Selbstwirksamkeit einzuüben. Gesprochen wird von Lernlabors, Projektunterricht sowie der Verbindung von Schule und Leben im Sinne eines „Whole Institution Approach“ (S. 63). Dazu Eickhoff und Geffers: „Transformation geschieht dort am besten, wo Menschen sich als Mitgestalter:innen erleben und bereit sind Verantwortung zu übernehmen.“ (S. 13) Gemäß dem 2019 von der UNESCO verabschiedeten Programm „BNE 2030“ wird neben individuellen Verhaltensänderungen auf strukturelle, politische Änderungen Augenmerk gelegt: „Handeln für Nachhaltigkeit ist Bildung, sie geschieht nicht nur im Klassenzimmer, sondern an Orten, an denen Weichen gestellt werden, z. B. in Ratssitzungen, im Landtag, in Vereinsvorständen, in Gerichtsverhandlungen“, so Stefan Rostock, NRW-Fachpromotor Klima und Entwicklung (S. 62). Die Einbindung von Entscheidungsträger:innen in Politik und Wirtschaft sollte demnach „eine konkrete Rolle in Lehr- und Lernprozessen spielen“ (S. 63).

Im Kapitel „Eine Welt voller Lösungen“ werden am Summit diskutierte Praxisbeispiele vorgestellt. Etwa Initiativen für „Nachhaltige Ernährung in der Schule“, ein „Schools for Future“-Projekt mit Maßnahmen für klimaneutrale Schulen, das Programm „FREI DAY“, das Schulen ermutigt, Freiräume für Partizipation, selbstständiges Lernen und kreatives Gestalten zu nutzen, Ansätze problemlösenden Handelns in der Klimakrise oder das Erlernen von Organisationsfähigkeiten („Wie hole ich andere ins Boot?“, S. 98). Mehrfach betont wird die Bereicherung des Summits durch den Austausch mit den zwei Schulen aus dem Globalen Süden, weil dadurch ein Bewusstsein für Klimagerechtigkeit geschaffen werden konnte. Ein „Werkzeugkoffer“ bietet Methoden für einen transformativen Unterricht wie „Probebühnen für die Zukunft“, „Kunst der Verständigung“ oder „Powerwriting“.  Ein Beitrag darin gibt wertvolle Anregungen, wie die neuen digitalen Kommunikationstools für den Austausch in globalen Schulpartnerschaften richtig genützt werden können.

Resümee: Ein informativer, auch grafisch sehr ansprechend gestalteter Band, der eine Fundgrube für die Veränderung von Schule und Unterricht im Sinne einer Bildung für Nachhaltige Entwicklung darstellt.