Catherine Belton

Putins Netz

Ausgabe: 2022 | 3
Putins Netz

Catherine Belton kennt Russland. Von 2007 bis 2013 arbeitete sie für die Financial Times in Moskau, danach für die Nachrichtenagentur Reuters. Hier trägt sie aus allen Quellen, die ihr zur Verfügung standen, die Geschichte Vladimir Putins von seinen Jahren als KGB-Agent in Dresden bis zum Jahr 2020 zusammen. Sie geht dabei erzählend vor, weniger analytisch, trotzdem entsteht ein Bild des russischen Staatspräsidenten, das der Komplexität der Entwicklung gerecht wird.

Putin war zwar Agent des sowjetischen Geheimdienstes KGB, ein Marxist war er aber nicht. Diese Theorien seien „hinderliche Märchen“.. Putin galt zu Beginn seiner politischen Karriere als Liberaler, da er aus dem Umfeld des St. Petersburger Bürgermeisters kam, der als pro-westlich galt. (S. 189) Diese Zurechnung half auch bei seiner Beförderung zum Chef der KGB-Nachfolgeorganisation FSB. 

Als Präsident setzte er zunächst auf einen marktfreundlichen Kurs. Er führte extrem niedrige Einkommenssteuern ein, ermöglichte wieder Privathandel mit Grund und Boden und bestellte liberale Ökonomen als Berater. Die Marktradikalen aus seinem Umfeld hegten teilweise sogar Sympathie für Augusto Pinochet, den Chilenischen Diktator, der die Wirtschaft seines Landes stark dereguliert hatte. (S. 235f.) Parallel stieg der Ölpreis und Russlands Wirtschaft entwickelte sich positiv.

Der Kapitalismus meinte es allerdings nicht nur gut mit seinem Land. Die unter der Bezeichnung „Darlehen gegen Anteile“ gennannte Privatisierung sorgte dafür, dass die Ressourcen des Landes zu viel zu niedrigen Preisen an Private und an junge Banker gingen, die Kaste der Oli-garchen entstand. Mit diesen trug Putin etliche Kämpfe aus, den wichtigsten wahrscheinlich mit Michail Chodorkowski. Putin ging aus den Aus-einandersetzungen mit den Oligarchen in der Regel als Sieger hervor.

Der „westliche Putin“ währte nicht lang. Schon als George W. Bush 2002 den Rüstungskontrollvertrag ABM kündigte, fühlte sich Putin betrogen. Immer deutlicher bezog er eine Position, die gegen die NATO und den Westen gerichtet war.  Die Wiederauferstehung der russischen Großmacht war nun erklärtes Ziel. Dieses war völlig unvereinbar mit Bestrebungen in Georgien und der Ukraine nach mehr Unabhängigkeit oder einer Annäherung an die NATO. Die Konsequenzen sind kriegerisch.