Helene Bubrowski

Helene Bubrowski: Die Fehlbaren

Ausgabe: 2024 | 1
Helene Bubrowski: Die Fehlbaren

Die deutsche Politik-Journalistin Helene Bubrowski, die für die FAZ schreibt, beschäftigt sich in ihrem Buch damit, wie die politische Kaste in Deutschland mit Fehlern umgeht. Das Buch möchte einen Beitrag zu einer verbesserten „Fehlerkultur“ leisten, bei der es „um einem produktiven Umgang mit Fehlern [geht], Voraussetzung ist die eigene Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, sich der Öffentlichkeit zu erklären, um Vertrauen zu erhalten oder wiederzugewinnen“ (S. 177). Dabei ist die Frage, wie man „Fehler“ in der Politik definieren kann, nicht so leicht zu beantworten, da es „in der freiheitlichen Demokratie keine Instanz [gibt], die das verbindlich entscheidet […] Was erlaubt ist, kann trotzdem ein Fehler sein. Und nicht alles, was verboten ist, ist politisch gesehen automatisch ein Fehler“ (S. 23).

Über den Umgang mit Fehlern

Den ersten Teil des Buches bilden Kapitel, die jeweils eine:n Politiker:in in den Mittelpunkt stellen, und dessen/ deren Fehlern bzw. Verfehlungen im Detail nachzeichnen. Die Basis für diese Darstellungen bilden Interviews mit den Betroffenen selbst oder mit Personen aus deren direktem beruflichen Umfeld. Wenn es um den ehemaligen Verkehrsminister Andreas Scheuer geht (Stichwort: Maut-Fiasko), um die Außenministerin Annalena Baerbock (beschönigter Lebenslauf und unklare Angaben bei der Autorenschaft eines Buches) oder den ehemaligen deutschen Gesundheitsminister Jens Spahn, dann zeigt sich, dass in der öffentlichen Wahrnehmung manchmal der Fehler selbst nicht so sehr das Problem darstellt, sondern vielmehr der oftmals trotzende Umgang damit. Dabei haben auch „die Medien und die politischen Gegner […] Einfluss darauf, ob ein Vorwurf gleich wieder verglimmt oder einen Flächenbrand entzündet“ (S. 25).

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der als ehemaliger Außenminister als der Architekt der deutschen Russlandpolitik gilt, hat nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine diese Politik als kollektiven Irrtum und Scheitern beschrieben. Dennoch – wahrscheinlich aus Respekt vor dem Amt – blieb die erwartete Welle von „selbstkritischen Äußerungen von Kolleginnen und Kollegen“ (S. 80) aus der Politik aus. Bemerkenswert, dass es für die Autorin im Rahmen einer Fehlerkultur gilt, auch solche Entscheidungen in den Blick zu nehmen, „die sich erst im Nachhinein als falsch herausstellen“ (S. 86).

Nach den personenbezogenen Kapiteln begibt sich die Autorin im zweiten Teil des Buchs auf die Suche nach möglichen Grundelementen einer funktionierenden Fehlerkultur. Dazu beleuchtet sie unterschiedliche soziale Kontexte, die bei der Frage „wie am besten mit Fehlern umgehen?“ behilflich sein können. Zu diesen interessant aufbereiteten Stationen auf der Suche nach Lösungsansätzen im Umgang mit Fehlern gehört u. a. auch die Tesla-Gigafactory in Grünheide/ Brandenburg. Die Autorin stellt sich ebenfalls dem schwierigen Verhältnis zwischen „Pressefreiheit und journalistischem Jagdinstinkt“ (S. 137), welches angesichts der Logik der Aufmerksamkeitsökonomie schwieriger zu werden scheint („ein Verdacht lässt sich skandalisieren, seine Auflösung nicht“, S. 142).

Weiters gibt es eine Analyse, wie in diesem Zusammenhang der vormals Twitter genannte Nachrichtendienst zu sehen ist, der neue Möglichkeiten in der direkten Kommunikation zwischen Politiker:innen und der Öffentlichkeit eröffnet hat, mit allen Vor- und Nachteilen. „Auf Twitter kann sich jeder als Journalist fühlen und Skandale enthüllen – auch wenn es vielleicht gar keine sind“ (S. 161). Anregend ist auch der Ausflug in die Start-Up-Szene, wo es Treffen gibt, bei denen Gründer:innen über ihre Fehler und Rückschläge erzählen, und dabei „das Scheitern zelebrieren, um das Wiederaufstehen leichter zu machen“ (S. 162).  Zwei weitere Kapitel führen uns ins Gericht (wie gehen Angeklagte mit den ihnen vorgeworfenen Fehlern um?) und in die Institution Kirche, der „Spezialistin, wenn es um Versöhnung geht“ (S. 184). Sie hat mit der Beichte, welche die Möglichkeit bietet, in einem „Safe Space“ seine Fehler zu bekennen und Buße zu tun, die Möglichkeit geschaffen, umzukehren und dann, geläutert, neue Wege einzuschlagen.

Hierauf aufbauend trägt das abschließende Kapitel einige Impulse für eine bessere Fehlerkultur zusammen. Dazu gehören: aus Fehlern nicht nur zu lernen, sondern auch Konsequenzen daraus zu ziehen, Untersuchungsausschüsse nicht zur Bühne zu machen, mehr Mut zum Streit aufzubringen, die Einsicht, dass nicht alles unbedingt transparent sein muss (Notwendigkeit von Safe Spaces) und nicht zu übertreiben, da gilt: „Nicht jeder Fehler ist Versagen, nicht jeder Missstand ein Skandal“ (S. 216).

Eine empfehlenswerte Lektüre

Ein interessantes Buch, das auf Verbesserungspotenziale auf der politischen Ebene aufmerksam macht, und – wenn auch für deutsche Verhältnisse geschrieben – auch für Österreich einige Erkenntnisse bereithält.