Politik der Zukunft

Ausgabe: 2021 | 2
Politik der Zukunft

In ihrem Einleitungsbeitrag gehen Nejma Tamoudi, Simon Faets und Michael Reder der Frage nach, wie angesichts der ontologischen (zukünftige Generationen sind nicht existent), epistemischen (wir können deren Sein und Wollen nicht wissen) und normativen Schwierigkeiten (wir können nicht legitimiert für sie sprechen) Generationengerechtigkeit ethisch begründet und demokratisch umgesetzt werden kann. Der Beitrag bietet einen Einstieg in die nachfolgenden Themen wie das All Affected Principle als Repräsentationsnorm oder die zeitliche Universalität der Menschenrechte.

Mit Mängeln im gegenwärtigen Diskurs setzen sich Henrike Knappe und Nejma Tamoudi auseinander. Knappe erläutert auf Grundlage der von Niklas Luhmann stammenden Differenzierung zwischen zukünftigen Gegenwarten und gegenwärtigen Zukünften anhand des Beispiels der lokalen Umsetzung der Sustainable Development Goals in Baltimore, dass für die Herstellung intergenerationeller Gerechtigkeit heute existierende Ungerechtigkeiten adressiert und bearbeitet werden müssen, um nicht perpetuiert zu werden. Tamoudi weist darauf hin, dass bestehende Asymmetrien gesellschaftlicher Zukunftsbezüge der Entwicklung kollektiv getragener Utopien entgegenstehen können, wenn das Politische in bestimmten Zeitlichkeitsvorstellungen nicht offengelegt wird.

Intergenerationelle Gerechtigkeit?

Soll man überhaupt intergenerationelle Gerechtigkeit verfolgen? Während Matthias Lievens die Freiheit zukünftiger Generationen von der Prädisposition durch die Freiheitsausübung in der Gegenwart bei Sartre analysiert, versucht Faets anhand des Beispiels der „Fridays for Future“ die Rolle der Bildung bei Gramsci als Möglichkeit zur Schaffung von Gegenhegemonien zur bestehenden Ordnung für die Sichtbarmachung des demokratischen Anspruchs zukünftiger Generationen nutzbar zu machen. Dominic Roser erforscht, warum Hoffnung dabei ethisch relevant und – trotz allem – nützlich ist.

Mit den Voraussetzungen demokratischer Legitimation beschäftigen sich Lukas Köhler und Stefan Einsiedel. Köhler bereitet anhand des Non-Identity-Problems (NIP) nach Derek Parfit die demokratischen Bedingungen der Möglichkeit einer solchen Vertretung auf. Nach dem NIP beeinflusst eine Entscheidung unter Umständen nicht nur das Wie des Lebens in der Zukunft, sondern auch das Wer. Einsiedel spricht in seinem Beitrag über planetare Ökologie das politische Kurzfristigkeitsdenken an und fragt, „kann Demokratie Nachhaltigkeit“ (S. 155).

Praktische Vorschläge für eine Vertretung zukünftiger Generationen

Die praktischen Vorschläge für eine Vertretung zukünftiger Generationen reichen von der verfassungsrechtlichen Fundierung von einklagbaren Menschenrechten künftiger Menschen über Klima-Beiräte oder Klima-Kammern bis hin zu Ombudspersonen nach dem Vorbild Ungarns vor dem Orban-Regime. Es gibt aber auch überraschende Ideen wie eine CO2-Zentralbank mit Expertinnen und Experten, die, von der Tagespolitik losgelöst, „einzig der Stabilität des Gesamtsystems verpflichtet wären“ (Einsiedel, S. 168). Oder auch die bei Lawrence, der sich mit den vom Marie Robinson Centre vorgeschlagenen „Global Guardians for Future Generations“ auseinandersetzt. Am konkretesten sind die Vorschläge der Stiftung für die Rechte zukünftiger Generationen“, die im Beitrag von Anna Braam vorgestellt werden.