Die hohe Kunst erfolgreicher Beteiligungspolitik besteht darin, jene Menschen zu erreichen, die noch entfernt von zivilgesellschaftlichem Engagement und Politik sind. Bedürfnisorientierte und zielgruppenspezifische Gemeinwesenarbeit könnte den Zugang zu diesen Zielgruppen erleichtern. Gerade Jugendliche sind schwer für partizipative Prozese zu gewinnen, doch sie wollen bewegen, verändern und haben einen anderen Blick auf räumliche und städtische Realitäten. Entscheidungen, die in der Stadt- und Raumplanung getroffen werden, unterscheiden sich oft stark von den Vorstellungen junger Menschen. Wie Wünsche, Ideen und Forderungen von jungen Menschen nicht nur berücksichtigt, sondern pro aktiv in einen partizipativen Prozess mit eingebunden werden können, zeigt die Publikation Jugend.Stadt.Labor des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR). Dieses „Manifest für offene Räume“ bestätigt die Wichtigkeit des Do-it-yourself Ansatzes als Beitrag zur Selbstermächtigung.
Jugend.Stadt.Labor ist ein Forschungsfeld im Programm Experimenteller Wohnungs- und Städtebau (ExWoSt), und diese Publikation ist das Ergebnis einer mehrjährigen Forschungsreihe. Der Fokus dieses Forschungsprojektes liegt auf der Bildung einer Plattform für junge Stadtentwicklung, die städteübergreifend genutzt werden kann. Verschiedene Ansätze vorangegangener Projekte werden hier zusammengeführt, wie etwa die Stadtvisionen von Young Energies, die Selbstorganisation und Raumaneignung aus Jugend belebt Leerstand, die Aktivierung durch Impulsprojekte aus dem Aktionsfonds und die Verknüpfung mit der Stadtplanung aus Jugend macht Stadt. Sieben Jahre lang hat das BBSR im Auftrag des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) das Gelingen von Jugendpartizipation untersucht. Vorgestellt werden in dieser Publikation insgesamt acht richtungsweisende Projekte, die in verschiedenen deutschen Städten durchgeführt wurden.
Das Engagement von Jugendlichen kann für eine nachhaltige Stadt- und Quartiersentwicklung genutzt werden, wenn Prozesse richtig konzipiert und begleitet und vor allem in ein funktionierendes Netzwerk implementiert werden. Unterschiedliche Modelle und Bottom-Up Ansätze wurden im Rahmen der vorgestellten Projekte erprobt und umgesetzt, mit dem Ziel, eine vitale und facettenreiche Jugendbeteiligungskultur aufzubauen. Dabei wurden zum einen die Betroffenen selbst, zum anderen lokale Akteure, Verwaltung und Politik mit einbezogen. Entstanden ist dadurch in Summe eine stabile Projektplattform „in Verbindung mit dynamischen Impulsprojekten, die Ansprüche sowohl von Jugendlichen als auch von Verwaltungen berücksichtigt und so neue Schnittstellen für eine dauerhafte Zusammenarbeit im Sinne ko-produktiver Stadtentwicklung erzeugt.“ (S. 7). Eine heterogene Struktur unterschiedlicher AkteurInnen aus Wirtschaft, Verwaltung, Politik und Sozialeinrichtungen fördert die soziale Integration aufgrund des Zusammentreffens unterschiedlicher sozialer Gruppen und Generationen. Gerade Städte, die von der Abwanderung junger Menschen besonders betroffen sind, können von derartigen Initiativen profitieren, da es die Bindung an das gegenwärtige Lebensumfeld fördert.
Der jugendliche Blick ist unumgänglich für die Vitalisierung städtischer Demokratie. Partizipation ermöglicht lokale Realitäten kennenzulernen und sie zu mitzugestalten. So sind im Rahmen von Jugend.Stadt.Labor Demokratieprojekte gegen den Rechtsruck, die Erschließung neuer Räume für Kultur, Sport und Begegnung, die Implementierung von Repair-Cafés, partizipative Fahrradwerkstätten, Zwischennutzung von Leerständen und vieles mehr entstanden. Diese Publikation zeigt das große Potenzial und die schier unendliche Kreativität von jungen Menschen, die Gehör, Ressourcen und Anerkennung erhalten. Sie benötigen in erster Linie Räume, über die sie selbstbestimmt verfügen können, ob für kulturelle und sportliche Zwecke oder lebensnahe, außerschulische Bildungsprozesse. Und gerade diese Möglichkeit zur Selbstbestimmung würde das Engagement der Jugendlichen erheblich fördern.
Die Publikation Jugend.Stadt.Labor bietet auf jeden Fall neue Anregungen und macht Mut und Lust für die Partizipationsarbeit mit Jugendlichen.