
In Anbetracht der gegenwärtigen Konflikte zeigt sich, dass friedensethische Konzepte zunehmend unter Druck geraten, während diese eigentlich „ein normatives Fundament für gerechtes Handeln legen und Orientierung“ (S. 7) zu bieten versuchen. Es bedarf daher einer „kritischen Ausdifferenzierung überkommener Wahrnehmungsmuster von Krieg und Frieden“ (S. 7), so die Herausgeber und Theologen Alois Halbmayr und Josef P. Mautner in der Einleitung ihres Sammelbandes „Friedensethik der Zukunft“.
Eine objektive Wahrnehmung in Konflikt- und Kriegssituationen kann nicht gelingen, ohne sich der eigenen, fehleranfälligen Wahrnehmung von Kriegen bewusst zu werden. Denn einerseits erhalten wir nur bruchstückhafte Bilder, die auch mit dem Ziel der Propaganda veröffentlicht werden, und zum anderen führt auch die Vogelperspektive, aus der Kriegsgeschehnisse betrachtet werden, zu einer verzerrten Wahrnehmung. Das Festhalten von Einzelschicksalen ist daher unabdingbar in Kriegssituationen. Im Gespräch mit Heiner Bielefeld, der unter anderem auch den Lehrstuhl für Menschenrechte und Menschenrechtspolitik der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg innehat, problematisiert Mautner den „Verlust einer Erinnerungskultur“ (S. 95), was in den gegenwärtigen Konflikten zunehmend zum Problem wird. „Dies hat zur Folge, dass Begriffe wie ‚Nazi‘ jeden prägnanten historischen Gehalt eingebüßt haben und zu frei verfügbaren Schimpfworten im politischen Nahkampf werden“ (S. 96). Die Expertin Annemarie Sancar ergänzt den Sammelband um eine feministische Perspektive und kritisiert die gegenwärtige Polarisierung im öffentlichen Diskurs. Diese geschehe auch innerhalb der Linken etwa in Bezug auf Waffenlieferungen und sei der falsche Weg, vielmehr müssen die komplexen Zusammenhänge ernst genommen und in die Diskussion integriert werden. Die Expert:innen Marina Fischer und Ursula Liebing zeigen in ihren Beiträgen je die Chancen auf, die das Erkennen komplexer und globaler Zusammenhänge und die Einbeziehung sowohl von Staaten des globalen Südens als auch von geflüchteten Menschen sowie der Zivilgesellschaft für die Friedensarbeit bieten können. Entlang aller Beiträge, welche auch die hier nicht erwähnten theologischen Herausforderungen behandeln, werden Schwarz-Weiß-Bilder aufgebrochen und vielfältige Optionen für eine Friedensarbeit im Großen wie im Kleinen präsentiert.