Das Wiener OSZE-Büro für die Freiheit der Medien berät seit 1998 die OSZE-Mitgliedsstaaten bei der Unterstützung freier, unabhängiger und pluralistischer Medien. Doch zwischen Anspruch und Wirklichkeit wird - nicht nur in autoritär regierten Staaten - die Kluft zunehmend breiter. Das belegen mit Fallbeispielen sowie generellen politischen und juristischen Analysen auch die Berichte der IHF.
In den Kapiteln über „Freiheit der Meinungsäußerung und der Medien“ werden - neben jenen anderer „klassischer“ Menschenrechtsverletzungen - die Schicksale von elf im Jahr 2000 getöteten sowie weiterer in ihrer Existenz bedrohter bzw. inhaftierter Journalisten dokumentiert. Beide Publikationen stellen v. a. die Regionen „Balkan“ " und „Kaukasus“ ins Zentrum. Und beide bemühen sich darum, auch die Grauzonen vielfältiger Formen von Einschüchterung und anderen Formen von Behinderung zu analysieren. Dabei wird klar, dass zunehmend auch administrative und finanzielle Aspekte - gerade auch in privatisierten, ehemals staatlichen Institutionen (z. B. in Rundfunk und Fernsehen, im Zeitungsversand durch die Post) - das Menschenrecht auf freie Meinungsäußerung und Information bedrohen oder zumindest einschränken. So etwa durch juristische und politische Interventionen von Parteien bei der Berichterstattung. Freimut Duve, der Leiter des OSZE-Büros spricht in seiner Einleitung zum „Yearbook“ (S. 14 - 17) diese Probleme eher generell an. Dort, wo es gelungen ist, die direkte Zensur durch Regierungsorgane abzuschaffen, haben einige (auch regionale und lokale) Verwaltungsorgane eine Reihe von Instrumenten von verdeckter Zensur und Unterdrückung der Medien entwickelt. Die „Schere im Kopf“ löst als „strukturelle Zensur“ die frühere Angst vor der „Zensur durch Mord“ ab (die andererseits nach wie vor auch durch politische Terrorgruppen und mafiose Kreise praktiziert wird). Duve verspricht, dass die „strukturellen“ Probleme von seinem Büro künftig verstärkt untersucht werden sollen. Vor kurzem hat er eine Mitarbeiterin beauftragt, u. a. die bedrohlichen Folgen der exorbitanten Erhöhung der Posttarife und der administrativen Ausgrenzung von Zeitungen und Zeitschriften mit kleinen Auflagen in Österreich zu recherchieren. Die privatisierte Post hat diese Entwicklung (seit 1.1.2001 in eine Existenzkrise getrieben, und ab 2002 werden mit weiteren Portoerhöhungen auch Zeitungen mit größerer Auflage für viele Leser unerschwinglich - ähnlich wie in vielen ärmeren Ländern.
Doch auch das Ausweichen in elektronische Kommunikationsebenen ist zunehmend Zensurversuchen ausgesetzt (Yearbook S. 17). Dazu kommt noch, dass für viele Leser - v. a. auch für Bibliotheken, Informationsbüros, Archive u. ähnl. - gedruckte Versionen weiterhin unersetzbar sind. Offensichtlich bleibt unter der rasanten Entwicklung der Medien die Sicherstellung - und erst recht die Weiterentwicklung des Menschenrechtes auf umfassende Information für alle eine „Sisyphosarbeit“. An dieser Aufgabe müssten sich verstärkt auch die unmittelbar davon betroffenen Informationsproduzenten und -konsumenten beteiligen.
Das OSCE-Yearbook wird durch Kurzporträts von NGOs und verwandter Medieninitiativen ergänzt; der IHF-Report listet die Adressen seiner Länderbüros auf. M. Rei.
OSCE Representative on Freedom of the Media: Freedom and Responsibility. Yearbook 2000/2001. Wien: OSCE, 2001. 287 S., kostenlos (www.osce.org/fom)
Human Rights in the OSCE Region: the Balkans, the Caucasus, Europe, Central Asia and North America. Ed.: International Helsinki Federation for Human Rights (IHF): Report 2001 (Events of 2000). Wien: IHF, 2001. 428 S., kostenlos (www.ihf-hr.org)