Die Akteure sind bekannt: Blocher, Erdogan, Kaczynski, Le Pen, Orban, Trump, Wilders, Strache, Hofer und der verstorbene Jörg Haider; dazu zahlreiche Damen und Herren von der AfD. Auf deutschem Mist scheinen Rechtsextreme gerade besonders zu gedeihen: laut Bild-Sonntags(um)frage Ende von Februar 2018 liegt die AfD, trotz parteiinterner Querelen – ein Lebensalter nach Ende des Zweiten Weltkriegs – bereits vor der SPD! Der Nährboden für den Siegeszug der Demagogie ist ebenfalls klar: das selbstgestrickte Bild einer gespaltenen Gesellschaft, die Einteilung in wenige Gute – „WIR“ das Volk – und viele Böse – die „Elite“, alle ANDEREN – die Einschüchterung Andersdenkender, das Schüren von Angst und Hass gegenüber jenen, die als „Tiere“, „Schädlinge“, „Schmarotzer“ (S. 93) [oder als „Asylantenwelle“ bzw. „Flüchtlingstsunami“] entmenschlicht werden.
In „Populismus für Anfänger. Anleitung zur Volksverführung“ listen [Falter-Journalistin und Strache-, sowie zuletzt Kurz-Biografin] Nina Horaczek und der Volks- & Kulturwissenschafter Walter Ötsch – er gilt als „NLP-Experte“ und hat bereits mit „Haider Light“ 2000 ein „Handbuch für Demagogie“ vorgelegt – 70 (Erfolgs-)Muster für Nachwuchs-Populisten auf: Vom „Erfinden einer eigenen Welt“ über das „Schaffen einer sektenähnlichen Organisation“ bis zur Machtübernahme reichen ihre „Ratschläge“ (S 227ff.).
„Das Volk“ wird vom Autorenduo als rhetorische Floskel entlarvt (S. 17), ebenso die Idealisierung der ausschließlich Braven, Anständigen, Ehrlichen, Fleißigen, Arbeitsamen und Tüchtigen (S. 27). Diese sehen sich einem mächtigen Gegenspieler ausgeliefert – einer homogenen, verschworenen, bösartigen „Elite“ (S. 19), bestehend u. a. aus „den Politikern“ schlechthin, den Altparteien, der Schickeria, der Brüsseler EU-Diktatur und der Lügenpresse (S. 22f.). Die Welt besteht für Demagogen aus einem „lebensbedrohlichen Dschungel“. Deshalb verheißt man den eigenen, verängstigten Jüngern „als Erlösung den umzäunten Garten als Paradiesgarten“ (S. 20). Der soll „die da oben“ ebenso ausgrenzen wie „die da draußen“ (Asylanten, Einwanderer in den Sozialstaat, Wirtschaftsflüchtlinge, Islamisten) (S.23) und „die da unten“: Kriminelle, Faule, Unmoralische, Gewissen- und Charakterlose (S. 27).
Zum politischen Erfolg benötigt es einen charismatischen Führer
Ein demagogisches Weltbild besteht nicht allein aus dem WIR und den ANDEREN (S. 35). Zum politischen Erfolg benötigt es einen charismatischen Führer – das „SUPER-WIR“, welches dem kollektiven Volkswillen eine Stimme verleiht. Es „verkörpert die Hoffnung der WIR, ihre Sehnsucht nach Befreiung, ihren Wunsch nach GUT-Sein, ihren Hass auf die ANDEREN, ihre Hoffnung auf den Sieg. SUPER-WIR ist der Rebell, der Held, der Oberkämpfer, der Befreier, der Messias. SUPER-WIR ist die Verkörperung einer Sehnsucht nach Erlösung“ (S. 35). Es verfügt über ein Willensmonopol, ein Wissens- und ein Erklärungsmonopol (S 111f.).
Gleichzeitig mangelt es Organisationen wie FPÖ, Front National und AfD erschreckend an kompetenten Experten, evident im Fall einer Regierungsbeteiligung (S. 114). „Das Personalproblem [von FPÖ/BZÖ in der Schüssel-Regierung 2000-2006] war kein Zufall, sondern Ergebnis einer langjährigen Politik, nur Personen mit wenig eigenständigem Format und Hausmacht in Schlüsselfunktionen zu lassen und jene, die durch Eigenständigkeit und Widerspruch auffielen, zu verdrängen“.
Trump, Wilders und Haider werden im Zusammenhang mit dem „Führer-Monopol“ genannt. Der YouTube-Wahlkampf von H. C. Strache mag einem ebenso in den Sinn kommen. Da sagt einer „DENEN DA OBEN, den Chefs, den Vorgesetzten, den Machthabern endlich einmal die Meinung. SUPER-WIR handelt stellvertretend für die ‚vergessenen Leute‘“ (S. 36), die sich nicht artikulieren können. Für sie (und Österreich!) verlangt er im Wahlkampfspot „Fairness“: das ist für den Angestellten die verdiente Gehaltserhöhung, für die sprachlose Frau die Trennung aus einer belastenden Beziehung; für den Brautvater verhindert er die Hochzeit der Tochter mit dem Motorradrocker, den Museumsbesuchern sagt er, was die sich denken – das Ausstellungsstück ist „ein richtiger Blödsinn“ – und im Namen der Erben erklärt er, Erbschaftssteuern seien unfair (https://youtu.be/eybiOECYPmU).
Auf der politischen Bühne ist er ganz nach Bedarf einmal „Robin Hood, der Rächer des ‚kleinen Mannes ‘“, als „blauer Che“ der „Sozialrebell mit Herz und Schmäh“, (mit Brille) der Staatsmann, als gelernter Zahntechniker der „einfache Arbeiter“ bzw „der kleine Unternehmer“. Und im Abwehrkampf gegen eine angeblich drohende Islamisierung gibt er den „Kulturchristen“ mit Holzkreuz (S. 120f.).
Selbstinszenierung und die Rolle der Medien
Kurz wird auch die Rolle der Medien in der erfolgreichen Inszenierung der Demagogen beleuchtet. Diese spielen „fleißig mit, weil, wie Erhebungen immer wieder ergeben, der Demagoge ein ‚Selbstrenner‘ ist“, wird SN-Journalist Norbert Lublasser zitiert (S. 140f.). Für den Tabubrecher Trump (und die US-TV-Stationen) war dies das Erfolgsrezept. Der Niederländer Wilders gibt vor, die Medien zu hassen „und spielt doch perfekt mit ihnen, wirft ihnen Brocken hin, die sie gierig fressen, denn mit ihm wird es nie langweilig“. (S. 142) Kooperationen mit dem medialen Platzhirsch („und gleichzeitig über die ‚verordnete Meinung‘ der ‚Fake-Medien’ zu jammern“), „sich selbst eine eigene Medienwirklichkeit zu verschaffen“ und der gezielte Einsatz von Social Media (S. 145ff.) – das sind die aktuellen Erfolgsrezepte.
Und das Gegenmittel? Demagogen weder unterschätzen noch dämonisieren, ihre Wähler nicht verteufeln und Eliten nicht unkritisch verteidigen (S. 194ff.). Demagogische Bilder direkt hinterfragen, Killerphrasen aufdecken, sich nicht provozieren lassen, zu den eigenen Werten stehen, Negativbildern Positivbilder entgegensetzen; und vor allem das tun, was „die Politik“ viel zu lange versäumt hat: explizite Zukunftsbilder der Gesellschaft entwerfen, dafür Verbündete und Netzwerke suchen und mit langem Atem umsetzen (S. 223f.). Reinhard Geiger
Ötsch, Walter; Horaczek, Nina: Populismus für Anfänger: Anleitung zur Volksverführung. Frankfurt/M.: Westend-Verl., 2017. 256 S., € 18,- [D], 18,50 [A] ISBN 978-3-86489-196-0