KLIMA° vor acht e.V. (Hg.)

Medien in der Klimakrise

Ausgabe: 2022 | 4
Medien in der Klimakrise

Nicht nur, aber auch in den Medien hat die Klimakrise nicht den Stellenwert, der sich aus den Bedrohungen ergeben würde. Hier setzt der Band Medien in der Klima Krise an, der von Klima° vor acht, einem gemeinnützigen Verein, der das Ziel hat, angemessene Berichterstattung zur Klimakrise zu fordern und zu fördern, herausgegeben wurde. In 15 Beiträgen setzen sich die Autor:innen mit der Frage auseinander, warum das Klimathema unterbelichtet bleibt, und was man unternehmen könne.

Michael Brüggemann, Professor für Kommunikationswissenschaft, Klima- und Wissenschaftskommunikation an der Uni Hamburg, zeigt mit Susan Jörges, dass die Klimaberichterstattung an der Gesamtberichterstattung von führenden deutschen Onlinemedien über einen Anteil von weniger als drei Prozent nur punktuell hinauskommt. Sie zeigen auch, dass dieser Anteil in den USA deutlich höher ist. (S. 29)

Wissenschaftsfeindlichkeit macht sich in der Bevölkerung breit

Ein gleich zu Beginn angesprochenes Problem sei, dass sich in Teilen der Bevölkerung Wissenschaftsfeindlichkeit breitmache. Dies wirke sich auch auf die Zurkenntnisnahme wissenschaftlicher Aussagen zur Klimakrise aus. „Die Medien müssen dafür sorgen, dass die Glaubwürdigkeit der Wissenschaft nicht nur erhalten, sondern gestärkt wird. Dabei ist darauf zu achten, dass nur solide Information aus der Forschung und nicht Meinung kommuniziert wird. Das erfordert einigen Rechercheaufwand, Personal und erhebliche finanzielle Mittel“, (S. 15) schreibt Mojib Latif.

Genau hier gebe es Probleme, berichtet der Journalist Ralph Brix. Der Druck auf die Redaktionen, besonders aktuell zu berichten, habe zugenommen. Immer schneller müsse frische Information bearbeitet und veröffentlicht werden. „Logisch, dass dadurch weniger Zeit für gründliche Recherche bleibt.“ (S. 21) Das werde verstärkt, da Redaktionen aufgrund des Kostendrucks, dem viele Medien ausgesetzt sind, immer weniger Fachexpert:innen in ihren Reihen haben. Diese seien ersetzt durch Generalist:innen, die möglichst jedes Thema „irgendwie“ bearbeiten müssen. (ebd.) Holger Wormer und Wiebke Rögener haben ein paar interessante Vorschläge. Zum Beispiel könnte es Fachkonferenzen in den Redaktionen (u. a.) zum Thema Klimaschutz geben. Denn das Thema schlägt in der Wirtschaft, Politik und Chronik auf, das Know-how zum Thema gehöre gebündelt, die Berichterstattung abgestimmt. (S. 241) Ähnlich sehen es auch Carel Mohn und Sven Egenter. „Ein Grund, warum sich Journalismus und das Klimathema gewissermaßen strukturell weniger gut vertragen, hat mit der zeitlichen Taktung zu tun. Im Journalismus zählt die morgige Ausgabe, die Topnachricht des Tages, der Tweet von jetzt. Der jahrzehntelange schrittweise Umbau ganzer Gesellschaften hin zu Klimaneutralität, das schrittweise Austesten, das Begehen und beharrliche Korrigieren immer neuer Fehler sind in dieser Welt hingegen eine Art kategorischer Fehler, eine Art nicht denkbare vierte Dimension.“ (S. 213)

Über fehlende Ausgewogenheit

Ein Problem des Journalismus sei weiters die „falsche Ausgewogenheit“. Wenn einer wissenschaftlichen Auffassung gleichberechtigt eine widersprechende Darstellung gegenübergestellt wird, führt dies zu einer weitgehenden Neutralisierung der Information. In einem Experiment wurde gezeigt, dass auf die Gegenmeinung nicht verzichtet werden müsse. Es wurde gezeigt, in welchem Ausmaß die wissenschaftliche Gemeinschaft eine Auffassung unterstützt (im Bereich der zentralen Aussagen zum Klimawandel ist man hier in der Regel weit über 90 Prozent). Dies reiche aus, dass die Leser:innen sich eine Meinung bilden und das Thema nicht als „unentschieden“ beiseitelegen. (S. 67)

Die  Medienpsychologin Maren Urner plädiert für einen „Konstruktiven Klimajournalismus“. Die zentrale Eigenschaft dieses Ansatzes sei, dass er sowohl übergeordnet als auch ganz konkret stets „Was jetzt?“ frage. Viele Berichte würden über vergangene Geschehnisse und historische Ursachen berichten. Konstruktiver Klimajournalismus nehme hingegen die Zukunft in den Blick. (S. 92)

Eine Gruppe, die das Klimathema besser in den Mittelpunkt rücken will, ist die Helmholtz-Klima-Initiative. Roland Koch berichtet, dass man sich am Model moderner Newsrooms orientiert. Man beobachte täglich, welche klimarelevanten Themen und Debatten in der Öffentlichkeit, in Medien, Politik und Wirtschaft stattfinden oder bevorstehen. Gleichzeitig prüfe man kontinuierlich, welche Ereignisse in der Klimaforschung vorhanden oder zu erwarten sind. Die Ergebnisse bereite man für die direkten Kommunikationskanäle auf. Man strebe an, Wissenschaftler:innen und Expert:innen zu den Themen zu gewinnen. Diesen wiederum biete man entsprechendes Kommunikationstraining. (S. 126)

Die Breite der Ideen, wie man besseren Klimajournalismus umsetzen könnte, beeindruckt. Viele dezentrale Projekte könnten Veränderungen bringen.