Katharina Mau

Das Ende der Erschöpfung

Ausgabe: 2025 | 2
Das Ende der Erschöpfung

Katharina Mau ist Mitglied des Netzwerks Klimajournalismus und arbeitet als freie Journalistin mit den Schwerpunkten Klima und Wirtschaft. In ihrem Buch „Das Ende der Erschöpfung“ beschreibt sie die neuen Ansätze einer Postwachstumswirtschaft in verständlicher Sprache. Als Ziel von Degrowth benennt sie, „in einem demokratischen Prozess die Produktion und den Konsum in reichen Ländern herunterzufahren, um die Erderhitzung und Naturzerstörung zu stoppen. Und dabei gleichzeitig die Wirtschaft gerechter zu gestalten und darauf hinzuarbeiten, dass alle Menschen weltweit gut leben können“ (S. 8). Es gehe um „andere Debatten über die Krisen, in denen wir stecken, und vor allem um passende Lösungen“ (S. 10). Damit ist das Anliegen des Buches umrissen.

Mau schildert zunächst die Zusammenhänge zwischen Wirtschaftswachstum und Treibhausgasemissionen, sie benennt die physischen Grenzen erneuerbarer Energien sowie die Ausbeutung der Länder des Südens durch unsere wachstumsfixierte Konsumweise. Reparationszahlungen an den Süden seien daher unumgänglich, um eine globale Grundversorgung sicherzustellen. Sie zeigt, dass Wirtschaftswachstum vor allem den Reicheren zugutekommt, Care-Arbeit ausgeblendet wird und Doppelbelastungen zwischen Erwerbs- und Sorgearbeit zunehmen.

Mit Bezug aufs Keynes Aufsatz aus den 1930er-Jahren über die wirtschaftlichen Möglichkeiten unserer Enkelkinder plädiert Mau nicht zuletzt für den Ausstieg aus dem Hamsterrad der Konsum- und Vergleichsfallen. Mit dem chilenischen Ökonomen Manfred Max-Neef verweist sie auf eine Strategie der menschlichen Grundbedürfnisse (S. 48) Das gute Leben könne zwar nicht a priori für alle festgelegt werden, es gäbe aber Eckpunkte: „Freund*innen zu haben, Beziehungen, die Geborgenheit geben, nicht einsam zu sein. Es bedeutet, das nötige Wissen und die Informationen zu haben, um wichtige Entscheidungen zu treffen. Es bedeutet, Raum zum Spielen und Feiern zu haben und Zeit, um sich zu erholen“ (S. 50).

Unser auf Konsumwachstum fixiertes Wirtschaftssystem gehe immer mehr an diesen Grundbedürfnissen für ein gutes Leben vorbei, so eine zentrale These der Autorin. Sie schlägt Konsumkorridore mit Begrenzungen nach oben für alle vor. Der Verzichtsdebatte entgegnet sie mit der Frage: „Wie können wir unsere Gesellschaften so organisieren, dass alle gut leben können?“ (S. 53) Eine allgemeine Grundversorgung, zu der für Mau leistbares Wohnen, ein Energiegrundbedarf, kostenfreies Internet, günstige Öffis sowie gute und günstige Betreuung für Kinder und Erwachsene gehören, soll im Detail durch Bürger:innenräte festgelegt werden. Durch ein Care-Einkommen oder ein „Optionszeitenmodell“ (S. 62), das jeder Person Freijahre für Care-Arbeit und Ehrenamt, Weiterbildung und Selbstsorge gewährt, würde die Erwerbsarbeitsfixierung aufgelöst. Denn Erwerbarbeit sei zwanghaft geworden: „Menschen müssen Dinge kaufen, die sie nicht brauchen – damit andere Menschen Geld verdienen, um die Dinge zu kaufen, die sie brauchen“ (S. 67). Erwerbsarbeit müsse auf die aus Plänen für den Bevölkerungs- und Katastrophenschutz bekannten „kritischen Infrastrukturen“ (S. 87) fokussiert werden.

In der Mitte des Buches kommt Mau auf die Finanzierung einer an den Grundbedürfnissen orientierten, nicht weiter wachsenden Wirtschaft zu sprechen. Die Transformation sei keineswegs einfach und friktionsfrei, brauche daher einen starken Sozialstaat, so die Autorin. Dieser könne jedoch die Prioritäten neu setzen, Umweltverbrauch und Luxus höher besteuern: „Dadurch, dass der Staat sich vor allem darauf konzentrieren würde, die Grundbedürfnisse von Menschen zu decken und nicht darauf, das Wachstum der Wirtschaft zu fördern, könnte diese sich auf einem niedrigeren Produktions- und Konsumlevel einpendeln“ (S. 111). Mau geht in diesem Zusammenhang auf die Frage der Staatsverschuldung und die Rolle der Geldpolitik ein, deren Aufgabe es sei, Inflation zu bekämpfen.

Begrenzung des Reichtums

Nötig sei die Begrenzung des Reichtums, da dieser die Demokratie gefährde und naturzerstörerisch wirke. Die Autorin bringt hier das Beispiel einer Geburtstagsparty, bei der sich niemand die Hälfte einer Torte nehme. In der Gesellschaft und Wirtschaft werde aber hingenommen, dass sich Wenige große Teile des Wirtschaftskuchen sichern. Als Möglichkeit einer faireren Verteilung nennt Mau das Konzept des französischen Ökonomen Timothée Parrique einer Vermögensobergrenze oder – was leichter umzusetzen sei – eine Vermögensabgabe. Möglich sei auch ein Sonderfonds für die Klimatransformation, gespeist von den Vermögenden. Notwendig sei jedenfalls eine geänderte öffentliche Debatte über Leistung und angemessenen Reichtum: „Die Frage, wie stark wir Reichtum begrenzen können, hängt am Ende an Macht und Erzählungen“ (S. 130). Mit der britischen Ökonomin Daniela Gabor spricht Mau von einem „Großen Grünen Staat“ (S. 168), der einen Transformationsplan hat, selbst in öffentliche grüne Infrastruktur investiert und die privaten Kapitalströme umlenkt. Zentralbanken könnten – so wie in Bangladesch – vorgeben, dass ein bestimmter Prozentsatz des Kreditumfangs in nachhaltige Projekte gehen müsse (S. 174). Nötig sei zudem der Stopp klimaschädlicher Subventionen sowie die Verteuerung oder Unterbindung von Luxuskonsum, etwa durch eine Vielfliegerabgabe. Auch Mau sieht, dass es letztlich globale Vereinbarungen brauchen wird, etwa einen einheitlichen CO2-Preis. Denn: „Wenn die Nachfrage nach Öl in einigen Ländern sinkt, könnte auch der Preis sinken“ (S. 183) und die Nachfrage anderer Länder stimulieren.

Resümee: Die Autorin referiert eine Vielzahl an Vorschlägen aus der internationalen Literatur für eine sozial-ökologische Transformation, darunter eine erste Studie aus Australien für die Finanzierung eines Staatshaushalts ohne Wirtschaftswachstum (S. 164). Und sie plädiert dafür, Neuland im Denken zu betreten. „Viele fühlen sich hilflos gegenüber all den Krisen, denen wir gegenüberstehen“, schreibt sie. Doch: „Wir könnten uns als Gesellschaft aus dieser Hilflosigkeit befreien, indem wir uns Regeln und Limits geben. Indem wir Freiheit nicht als etwas Individuelles begreifen, sondern als eine gemeinschaftliche Aufgabe, gut leben zu können“ (S. 213).