Im Juni 1999 haben Schweizer Hochschulprofessoren und Unternehmer ein 'Netzwerk für sozial verantwortliche Wirtschaft' gegründet. Einen Bericht darüber gibt es in der Weltwoche 4.11.1999. Die Initiatoren konstatieren, daß die Entwicklung der Wirtschaft in den letzten Jahren unter den Stichworten Globalisierung, Liberalisierung und Technisierung eine Richtung eingeschlagen hat, die Grundzüge unserer sozialen Ordnung, der demokratischen Lebensform und damit der europäischen Kultur bedroht.
Die Liste einschlägiger Phänomene ist lang: so sind etwa die Erwartungen an die Eigenkapitalrendite schon an die 30 %-Grenze herangewuchert, große wirtschaftliche Akteure sind von nationalstaatlichen Institutionen nicht mehr kontrollierbar, sie zahlen bei steigenden Gewinnen immer weniger Steuern, unter einer blanken Marktideologie entstanden eine ganze Reihe von Denkverboten, wenn man z. B. zwar über Katalysatoren für Rasenmäher nachdenkt, gleichzeitig aber Überlegungen über die Umweltbelastung durch Flughäfen tabu bleiben, “weil sie für die Wirtschaft unverzichtbar” seien. Spekulanten pumpen Milliarden in hoffnungsvolle Märkte und ziehen sie beim ersten Anzeichen einer Krise zum Schaden der betroffenen Volkswirtschaft wieder ab. Die allenthalben erhobene Forderung nach Flexibilität ignoriert die Frage, ob tatsächlich Menschen ihr ganzes Leben lernen wollen und können. Menschen über 50 gelten in diesen Zusammenhängen immer weniger. Gegenüber diesen dehumanisierenden Entwicklungen sei es notwendig, daß die in der Wirtschaft verantwortlich Handelnden auch an die gesellschaftlichen Folgen ihres Tuns denken. Es kommt darauf an, Mitglieder der Gesellschaft in ihren Grundbedürfnissen und -rechten nicht verletzt werden und, mehr noch, die Gesellschaft als ganze gefördert wird. Denn Markt und Gesellschaft hängen voneinander ab: wenn die Gesellschaft degeneriert, wird auch der Markt zusammenbrechen.
Das Netzwerk will Verantwortliche aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik zu einer gemeinsamen Anstrengung zusammenführen, um sozial verantwortlichere Entscheidungsmodelle zu entwickeln und diese langfristig als gesellschaftlich akzeptierten Kodex durchzusetzen.
WR.
Staubli, Rene: Abkehr vom knallharten Shareholder-Value-Denken. In: Weltwoche 4.11.1999