Gellners Buch beweist einmal mehr, dass die" Rotbuch Rationen" für Entdeckungen gut sind. Der Sozialanthropologe und Philosoph aus Cambridge visiert ein aktuelles Phänomen unter einem originellen und provokanten Blickwinkel an. Seine Kernthese besagt: Nationalismus, verstanden als "Übereinstimmung von Kultur und Staatswesen", ist ein Prinzip, das sich historisch gesehen erst im Industriezeitalter einstellt. Dort tritt es allerdings mit Notwendigkeit auf. Denn "die anonyme, unpersönliche Gesellschaft (bestehend) aus austauschbaren, atomisierten Individuen" schafft sich in ihm ihren unabdingbaren Zusammenhalt. Wichtige Voraussetzung der Argumentation ist das Bild, das Gellner sich von der Abfolge verschiedener Kulturformen macht. Mit dem Typ der Industriegesellschaft kontrastiert er die Agrargesellschaft. Letztere sieht er im Gegensatz zur ersteren durch eine Vielfalt von Volkskulturen sowie transethnische und transpolitische Oberschichten geprägt. Gellner legt sich bewusst und genussvoll mit Nationalismustheorien an, die von seiner abweichen. Er ist scharfsinniger Theoretiker und glänzender, geistreicher Schriftsteller zugleich. Es ist zu wünschen, dass die anregende Wirkung seiner Überlegungen nicht auf den engen Fachkreis von Historikern, Politikwissenschaftlern u.a. beschränkt bleibt. Ihre Bedeutung und Tragweite ist kaum zu überschätzen. Geschichte Nationalismus
Gellner, Ernest: Nationalismus und Moderne. Berlin: Rotbuch, 1991. 216 S., (Rotbuch Rationen) DM 32,- / sFr 27,- / öS 249,60