MIPS - Das Maß für ökologisches Wirtschaften

Ausgabe: 1994 | 2

Um es vorwegzunehmen: Vom Nanogramm zur Megatonne, von der Umwelt- zur Ökopolitik: das klingt eimal mehr nach Paradigmenwechsel. Und in der Tat: Was in diesem Buch auf frappierend klare Weise vorgedacht und mit geradezu unwiderlegbaren Argumenten vorgeschlagen wird, ist zum einen so selbstverständlich und zum anderen so radikal anders, dass ich nicht davor zurückschrecke, diesen Titel als einen Meilenstein der Umweltliteratur im deutschen Sprachraum zu bezeichnen.

Was Friedrich Schmidt-Bleek - er gilt als einer der Väter des deutschen Chemikaliengesetzes und ist heute Mitarbeiter an U. v. Weizsäckers "WuppertalInstitut" - hier vorlegt, ist zwar keine Zauberformel, aber doch ein Richtmaß, mit welchem die gewaltigen Stoffströme, und damit die bei weitem größten Verursacher unserer Umweltprobleme, auch ökonomisch zu berechenen sind. MIPS - hinter diesem scheinbar magischen Kürzel verbirgt sich nicht weniger als der Vektor einer auch dauerhaft überlebensfähigen Weltgesellschaft. Sobald wir unseren Blick auf die Materialintensität Pro Serviceleistung richten und zudem den jeweils erforderlichen Flächenverbrauch (FIPS) berücksichtigen (anstatt wie gebannt auf den "Schadstoff der Woche" starren), wird deutlich: Wir müssen uns einschränken und zwar drastisch.

Die Kernthese des Verfassers "Ein Zehntel muss den Reichen reichen, und der ganzen Welt die Hälfte." Eine Horrorvision, ein Autor als Prophet des wirtschaftlichen Niedergangs? Keineswegs! Denn Schmidt-Bleek zeigt, dass - die riesigen "ökologischen Rucksäcke" die unsere Wohlstandsgesellschaft mit sich herumschleppt, ohne Verlust an Lebenssinn und -qualität zu reduzieren sind (Spitzenreiter des Ungleichgewichts von Endprodukt und bewegter Stoffmenge ist Gold mit einem Verhältnis von 1:350000), - viele Produkte ganz unsinnig konstruiert sind ("Warum muss ein Kühlschrank reisen können?"), - durch innovative Forschungs-, Technologie- und Wirtschaftspolitik tatsächlich bis zu 90% der bisherigen Energie- und Materialströme eingespart werden könnten.

Ein weiteres realisierbares Plädoyer für eine "solare Zukunft" auch in unseren Breiten, wenn man bedenkt, dass mit den südlagigen Dachflächen heute schon 1/10 des Energiebedarfs abzudecken wäre. Freilich: Es wird nicht ohne ein kollektives neues Bewußtsein gehen, das auch danach fragt, ob wir all die Dinge brauchen, die wir haben können. Insofern ist U. von Weizsäcker, der in seinem Vorwort dieses Buch zur "Chefsache" erhebt, zu ergänzen: Die Sicherung der Zukunft, die geht uns alle an.

W Sp. 

Schmidt-Bleek, Friedrich: Wieviel Umwelt braucht der Mensch. MIPS - Das Maß für ökologisches Wirtschaften. Berlin (u.a.): Birkhäuser, 1993. 302 S. DM 49,80IsFr46,-löS 388