Widersprüche globaler Umweltpolitik

Ausgabe: 1994 | 4

Spätestens seit der UN-Konferenz "Umwelt und Entwicklung" ist das Thema "Globale Ökologie" in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gerückt. Zahlreiche Publikationen behandeln Fragen des Weltklimas, des Artenschutzes oder der Rettung des Regenwaldes. "Umwelt und Entwicklung" wurde zum Schlagwort von Regierungen, Wissenschaftlern und Medien. Der vorliegende, Beiträge von 12 Autorinnen unterschiedlicher Länder aus Nord und Süd umfassende Band hinterfragt den modischen Post-Rio-Diskurs über Nachhaltigkeit und globale Umweltstrategien und legt insbesondere dar, was dieser verschweigt.

"Da gab es Konventionen über Artenvielfalt, Klima und Wälder, jedoch keine über Agro-Business, Automobile oder Freihandel", bringt der Herausgeber, Wolfgang Sachs, seine Kritik am UNCED-Gipfel auf den Punkt. Wenn die an Bedeutung gewinnenden Ökokraten die Natur lediglich als gefährdete Kapitalanlage ("Bergwerk" und "Müllhalde") und globalen Umweltschutz als technokratische Anstrengung, diese intakt zu halten, betrachten, dann fordert der Entwicklungskritiker - wie andere Autoren des Bandes auch - die kulturelle Aufgabe der "Selbstbegrenzung" und Entwicklung vielfältiger Formen der Prosperität jenseits des westlichen Wachstumsbegriffs, der mittlerweile auch die Eliten des Südens erfasst hat.

Die Biologin Christine von Weizsäcker problematisiert die Transformation der Natur vom Gemeingut zur Ware anhand der anlaufenden Programme zum "Schutz der Artenvielfalt" und der Anlage sogenannter "Gen-Banken". Ihre Kritik am technokratischen Globalmanagement beschreibt sie mit Anleihen aus der griechischen Mythologie: Während die großtechnische "Lösung" von Problemen in der Regel neue schafft "Hydra-Syndrom") münde das Reden von der Globalverantwortung meist in der Handlungsunfähigkeit ("Atlas-Syndrom"). Klaus Meier Abich verdeutlicht die für Nord und Süd sehr ungleichen Folgen des zu erwartenden, anthropogen induzierten Klimawandels und bringt hiermit einen wenig beachteten Beleg für die Brüchigkeit der "gemeinsamen" globalen Umweltinteressen zur Sprache.

Mehrere Beiträge kritisieren den etwa dem Brundtland-Bericht "Our Common Future" zugrundeliegenden westorientierten Entwicklungsbegriff und reden einer Renaissance der lokalen Ökologie das Wort, die zur anlaufenden "Globalökologie" in Widerspruch geraten kann, wie etwa die indische Ökonomin Vandana Shiva an Beispielen ausführt. Paul Ekins rechnet vor, welche Selbstbeschränkungen nachhaltige Entwicklung - wirklich ernst genommen - für den Norden bedeuten würde. Für den Süden empfiehlt er eine "sorgfältige Industrialisierung" bei gleichzeitiger "Regeneration ländlicher Ökosysteme". die dezentral von den Betroffenen in die Wege geleitet werden sollen: "Das Dorf wird der Brennpunkt der Entwicklung." Konkrete Beispiele hierfür aus Afrika und Indien enthält der letzte Abschnitt des empfehlenswerten Buches.

H. H.

Der Planet als Patient. Über die Widersprüche globaler Umweltpolitik. Hrsg. v. Wolfgang Sachs. Basel: Birkhäuser, 1994. 2505., DM 29,80 / sFr 26,80 / öS 232,40