Endlich, IBM hat die Stechkarte abgeschafft, Zwang und Kontrolle der ArbeitnehmerInnen sind damit ausgeschaltet - glaubt man. Zwar ist der Zwang weg, der Druck, Leistung, gute Arbeit zu erbringen, ist geblieben bzw. sogar gestiegen. Das vorliegende Buch bemüht sich, politische und theoretische Positionen so zu beschreiben, dass die betriebliche Basis, konkret hier der IBM-Betriebsrat, damit arbeiten, darüber diskutieren kann. „Woher weiß ich, was ich selber will?“ - diese Frage wird mit dem Wegfall der Stempeluhr brisanter - nun soll nämlich der Arbeitnehmer auch in der Arbeit, in der Arbeitszeit tun, was er selber will und was sachlich erforderlich ist. Freizeit und Arbeitszeit bekommen neue Positionen, denn nun ist die Freiheit in die Arbeitszeit eingezogen, will der Arbeitnehmer wirklich heimgehen, bloß weil seine Arbeitszeit um ist, seine Arbeit aber noch nicht ganz erledigt ist? Hier greifen die Autoren auch das Paradoxon der neuen Aufgaben der Betriebsräte auf. War bislang der Arbeitgeber der phantasierte (wirkliche?) Ausbeuter, so ist es jetzt der Einzelne selbst, der sich selbst zu immer schnellerer, besserer Leistung antreibt. Ist es also die neue Aufgabe der Betriebsräte die Arbeitnehmer vor sich selbst zu schützen?Das Buch will Anstöße für ein betriebliches Handeln und für die Verständigungsprozesse von Individuum zu Individuum geben. So steht hier auch die Einsicht eines Betroffenen: „Ich als Betriebsrat stehe unter dem Druck der gleichen Mechanismen wie die anderen Kolleginnen und Kollegen auch.“ Beeindruckend sind eine Vielzahl von Ideen aus den Versammlungen, etwa die Einführung eines Monats der Besinnung, in dem aus der Ich-Perspektive Prozesse reflektiert wurden: Was geschieht hier mit mir? Was tue ich hier eigentlich? Was will ich eigentlich? Anstoß-Texte entstanden und wurden anonymisiert veröffentlicht: im Betrieb konnten dann die Menschen über etwas sprechen, was bisher nur als individuelles Deifzit und individuelle Peinlichkeit von jedem Einzelnen erfühlt, versteckt und verschwiegen wurde. „Nein-Sagen mit gutem Gewissen“ ist ein Programmpunkt auf der Liste „Was Sie tun können“. Ein ehrliches Buch, das nicht nur IBM-Beschäftigten hilft, auf ihre Zeitstruktur zu achten, die Verführungen zur Selbsttäuschung rechtzeitig zu erkennen und ihr zu widerstehen. Besonders für BetriebsrätInnen zu empfehlen. Chr. G.-R.
Glißmann, Wilfried; Peters, Klaus: Mehr Druck durch mehr Freiheit. Die neue Autonomie in der Arbeit und ihre paradoxen Folgen. Hamburg: VSA-Verl. 2001. 198 S., € 15,29 / DM / sFr 29,80 / öS 210,-