Landschaft ohne Autobahnen

Ausgabe: 1997 | 3

Für Kenner keine Überraschung - auch Hermann Knoflachers jüngstes Buch zeichnet sich aus durch Engagement, Radikalität und (Wort)-Witz. Der Wiener Verkehrsplaner belegt zunächst anhand eindrucksvoller Bilder, daß es früher einmal so etwas wie ”Straßenbaukunst" gegeben haben muß, um in der Folge jene „Ideologien" als solche zu entlarven, die zur heutigen Situation der zubetonierten Landschaften samt ihren ökologischen Zerstörungen geführt haben. Knoflacher spricht von der Umwandlung des „Lebensraumes" in „Maschinenhallen mit den Todeszonen der Fahrbahnen". Er kritisiert die "Macht der Verkehrsprognosen", die zu immer neuen und größeren Straßennetzen geführt hätten, nicht weniger als die ”Mär" vom Zeitgewinn durch größere Geschwindigkeiten, welche vom Prinzip der ”Raumausdehnung" konterkariert würde (so müssen heute pro erwirtschafteter Geldeinheit "weit mehr Kilometer zurückgelegt werden als etwa vor 40Jahren"). Anschaulich beschreibt er die sozialen und ökologischen Zerstörungen durch die „lebensbedrohliche Makromobilität" als Wesensmerkmal gegenwärtiger Verkehrslogik, welche die „lebenserhaltende Mikromobilität" ersetzt und zerstört habe. All dies belegt der Autor mit Erfahrungen aus seiner jahrelangen Tätigkeit als Verkehrsplaner. Knoflacher thematisiert aber auch jene „Ideologien der Wirtschaftswissenschaften", welche etwa im Gesetz der ”economy of Scale" bis heute die Transportkosten und das Ökosystem hartnäckig leugnen und damit zu drastischen Marktverzerrungen führen. In diesem Kapitel wird auch deutlich, wie große Geschwindigkeiten und ein allverfügbares Transportnetz regionale Wirtschaftsstrukturen zerstört haben. Der Mensch sei, so Knoflacher mit Blick auf die wachsende Zahl der "Supermärkte", vom „Kulturwesen" wieder "in die Zeit der primitiven Jäger (nach Sonderangeboten)" zurückgefallen. Scharf kritisiert er die "vier Grundfreiheiten" der EU als "Jagdrechte auf alles, was wirtschaftlich interessant ist". Den Spruch "Zeit ist Geld" läßt er lediglich für die Transportbranche gelten. Der letzte Abschnitt ist Lösungswegen gewidmet. Knoflacher plädiert darin zunächst für eine Entzerrung der öffentlichen Wahrnehmung der Verkehrsprobleme; so müsse etwa das Recht auf Gesundheit wieder vor das Recht auf Automobilität treten, und zeigt dann seine Veränderungsstrategien aus systemischer Sicht auf. Diese sind in der ökologischen Debatte nicht zur Gänze neu (wie etwa die Rückkehr zu einer Raumordnung der kurzen Wege oder die Herstellung von Kostenwahrheit) Knoflacher formuliert sie aber meist radikaler. Zudem plädiert er - und das scheint für einen Verkehrsplaner paradox - für eine generelle Verlangsamung des Verkehrs. Dabei sind ihm Stehzeiten an Grenzen ebenso recht wie ein EU-weites Nachtfahrverbot für Lkw (analog dem der Schweiz). Verkehrsstaus lieber als Verkehrsoptimierung (etwa durch Telematik). Er fordert den Rückbau bestehender Straßen statt den Bau von neuen, die Erhaltung von Regionalbahnen statt die Errichtung von Hochgeschwindigkeitszügen. Er lenkt schließlich die Aufmerksamkeit auf den durch noch so viel Aufklärungsarbeit nicht einzuholenden Bequemlichkeitsvorteil des Autos, welcher nur durch "ausgleichende Anreizsysteme" wie Sammelparkplätze, die von den Wohnungen ebenso weit entfernt sind wie die Haltestellen des Öffentlichen Verkehrs, oder durch eine generelle Verknappung und Vergebührung der Stellflächen abgebaut werden könnte. Knoflachers Buch wird so manche Verkehrspolitiker und Verkehrsplaner vor den Kopf stoßen (dies ist aber wohl beabsichtigt), es wird aber all jene, die kein oder nur wenig Auto fahren, die Beeinträchtigungen des Kfz-Verkehrs jedoch überproportional ertragen müssen, ermuntern, sich mehr noch als bisher zur Wehr zu setzen und ihr Grundrecht auf gesunde Luft und Freiheit von Verkehrslärm einzufordern. H. H.

Knoflacher. Hermann: Landschaft ohne Autobahnen. Für eine zukunftsorientierte Verkehrsplanung. Wien: Böhlau, 1997. 238 S.