Konversion in Deutschland

Ausgabe: 1992 | 3

355.000 bis 505.000 Arbeitsplätze werden in den kommenden Jahren allein in der Rüstungsindustrie Westeuropas verloren gehen, so die Prognose des Stockholmer Friedensforschungsinstituts SIPRI. In der BRD wird mit einer jährlichen abrüstungsinduzierten Arbeitsplatzeinbuße von 10000 Beschäftigten zu rechnen sein. Auf 100 Angehörige der Bundeswehr kommen etwa 38 Zivil beschäftigte und 33 zivile Arbeitsplätze außerhalb der Kasernen, die vom Militär "leben". Diese Zahlen sind kein Plädoyer für mehr Rüstung, sondern sie zeigen die enge Verflechtung von Wirtschaft und Militär und die wirtschaftspolitische Herausforderung auf, die Abrüstung darstellt. Der vorliegende Sammelband gibt eine äußerst informative Bestandsaufnahme über die wirtschaftlichen und politischen Implikationen der Ab/Rüstung nach der "Wiedervereinigung", deren vertragliche Regelung u.a. den vollständigen Abzug der ehemaligen Sowjetarmee aus dem Gebiet der DDR und den zumindest teilweisen Abzug der NATO-Truppen aus westdeutschem Territorium festlegte. Konversion wird umfassend verstanden als "Umwandlung bisher militärisch gebundener Kräfte, Ressourcen und Strukturen für zivile Zwecke", schließt also neben der Umstellung von Rüstungsproduktion auch die Abrüstung bzw. den Abzug von Streitkräften ein. Einer allgemeinen Analyse der Situation in den alten und neuen Bundesländern folgen Regionaldarstellungen zu Bremen, Hamburg, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern. Politik und öffentliche Hand reagieren auf die Abrüstung. regional unterschiedlich: während Brandenburg etwa Im Abzug der Sowjetarmee und in der Schließung aller Rüstungsbetriebe (!) eine große Chance für das Land sieht, geht z. B. Bremen eher defensiv an die Herausforderung "Abrüstung" heran. Klare Signale der öffentlichen Hand an die Rüstungsunternehmen seien der wirksamste Weg, die betroffenen Unternehmen zu Umstellungen zu bewegen. Der Vorschlag, zur Koordination ein bundesweites Ministerium für Abrüstung und Konversion einzurichten, stößt in Bonn leider auf taube Ohren. Die Autoren befürchten, dass die Chance zur umfassenden Konversion in der BRD verpasst werde, vielmehr finde eine Konzentration der Rüstungsschmieden durch Fusionen statt, um sich so für den enger werdenden europäischen Rüstungsmarkt zu wappnen. Hans Holzinger

Konversion in Deutschland. Ein Land - zwei Perspektiven? Hrsg. v. Hans-Joachim Gießmann. Baden-Baden: Nomos, 1992.237 S., DM 36,-/ sFr 30,50 1öS 280,80