Der Entwicklungsforscher und Migrationsexperte Benjamin Schraven behandelt im Buch „Klimamigration. Wie die globale Erwärmung Flucht und Migration verursacht“ die komplexen Zusammenhänge von Klimakrise und Migrationsbewegungen. Vorab ist jedoch festzuhalten, dass sich zwar in den letzten Jahren vieles an Forschung getan hat, es aber immer noch Ungewissheiten etwa in Bezug auf die Datenlage gibt. Fest steht, dass die Folgen der Erwärmung unterschiedlich stark auftreten und gegenwärtig viele Länder des globalen Südens eine hohe Verwundbarkeit aufweisen. „Zwischen den Jahren 2010 und 2020 war die menschliche Sterblichkeit durch Überschwemmungen, Dürren und Stürme in den erwähnten vulnerablen Regionen (West-, Zentral- und Ostafrika, Südasien, Mittel- und Südamerika, kleine Inselstaaten im Pazifik und der Karibik) 15-mal höher als in Regionen mit sehr geringer Vulnerabilität“ (S. 31). Neben einer erhöhten Vulnerabilität in Bezug auf klimatische Veränderungen führt Schraven ebenso sozioökonomische Verhältnisse wie Armut, politische Instabilität, gewaltsame Konflikte, fehlender Zugang zu grundlegenden Ressourcen und Dienstleistungen als Mitursachen für Klimamigration an. Monokausale Erklärungsmuster, wie die weitläufige Annahme, dass wirtschaftliche Entwicklung Migration verringere, halten der Empirie jedenfalls kaum stand. Bereits in den 1990er Jahren zeigten Studien, dass es sich eher umgekehrt verhält, nämlich, dass Menschen erst dann migrieren können, wenn sie ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung haben. Im Gegensatz dazu ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Ärmsten einer Gesellschaft auswandern, sehr gering. Aktuellere Studien verweisen zudem darauf, dass Schwellen- bzw. Mitteleinkommensländer am meisten Migration aufweisen, während dieser Wert sowohl bei Entwicklungsländern wie auch reichen bzw. Industriestaaten wieder zu sinken beginnt. Zudem zeigt auch eine Analyse der Fluchtrouten, dass ein Großteil der Wanderbewegungen nicht den globalen Norden zum Ziel hat, stattdessen steht die Süd-Süd-Migration zwischen Entwicklungs- und Schwellenländern im Mittelpunkt.
Klimamigration und Sicherheit
Wie von Gaia Vince kritisch angemerkt, bemerkt auch Schraven die Tendenz, dass die Klimakrise im öffentlichen Diskurs primär als Sicherheitsrisiko behandelt wird. In seiner Analyse diverser Studien zur Klimamobilität verweist der Migrationsberater jedoch auf sehr heterogene Ergebnisse, auch, was die potenzielle Gefahr einer Zunahme bewaffneter Konflikte betrifft. Hierzu gebe es kaum empirische Belege und bislang sei keine direkte Korrelation festzustellen. Nichtsdestotrotz könnte man nun Syrien ins Feld führen, wo der bewaffnete Konflikt von vielen auf die katastrophale Dürre im Osten Syriens in den 2000er Jahren zurückgeführt wird. Jedoch habe die gleiche Dürre auch Jordanien oder den Libanon und weitere Länder getroffen, wo keine Bürgerkriege und andere Konflikte hochgekocht sind, so der Autor. Als Auslöser für die Eskalation in Syrien führt er die repressive Regierung sowie eine schlechte Wirtschafts- und Sozialpolitik – insbesondere während der Dürreperiode – an, betont jedoch, dass auch dies ungewiss ist und fordert abschließend, dass „die Effekte klimatischen Wandels ebenso zu jedem beliebigen Zeitpunkt als soziale Vorfälle verstanden werden, die soziale Strukturen oder Machtverhältnisse ändern bzw. verstärken können“ (S. 61).