Industrielobby mißbraucht Umweltbewußtsein der Bürger

Ausgabe: 1995 | 4

Daß Industrieunternehmen Lobbying mit großem Engagement betreiben und Einfluß auf die Politik nehmen - anstatt umgekehrt - ist Umweltschützern stattsam bekannt seit es sie gibt. Daß Lobbyisten in den Verbraucherverbänden oft ein Wörtchen oder mehr mitreden - wie z. B. in der Stiftung Warentest - mag manchen noch verwundern. Dabei werden in diesem Fall Ziele und Auftraggeber nicht verschwiegen. Claudia Peter schildert im ersten Teil des Bandes aktuelle Beispiele von verdecktem Lobbying, bei dem Außenstehende nicht gleich erkennen können, wer bezahlt, und welche Ziele wirklich verfolgt werden.

Eigens gegründete Tarnorganisationen, deren Namen verblüffend an etablierte Umweltverbände erinnern, setzen sich beispielsweise für den Vorrang der Müllverbrennung ein, reden der Atomenergie oder dem Einsatz von Pestiziden das Wort oder versuchen die Artenschutzabkommen zu umgehen. Da ist es nicht verwunderlich, daß selbst während der Lektüre die verschiedenen Bezeichnungen manchmal Verwirrung stiften. Da tritt z. B. das "Ehrliche Müllkonzept" für die Müllverbrennung ein und die "Waste Watchers" wollen die Verwendung von Mehrwegglasflaschen boykottieren. Kursawa-Stucke schildert das zweifelhafte Zusammenspiel von Industrie, wissenschaftlichen Gutachten und kontrollierenden Institutionen am Beispiel des bisher größten Umweltstrafprozesses im Mai 1993 über die Holzschutzmittel der Firma Desowag auf eindrucksvolle Weise. Eine interessante aktuelle Lektüre zur kritischen Überprüfung ökologisch-ökonomischer Harmoniebekundungen geeignet.

D. N

Peter, Claudia; Kursawa-Stucke, Hans-Joachim: Deckmantel Ökologie. Tarnorganisationen der Industrie mißbrauchen das Umweltbewußtsein der Bürger München: Knaur, 1995. 2545., DM / sFr 14,- / ÖS 110,-