Sigrun Preissing, Gottfried Schubert, Heidi Lehner (Hg.)

In Zukunft ohne Geld?

Ausgabe: 2022 | 1
In Zukunft ohne Geld?

Ist eine Zukunft ohne Geld möglich? Zehn Essays gehen dieser Frage nach und versuchen neue Systeme außerhalb der monetären Logik zu finden. Schnell wird ersichtlich, dass selbst die Vorstellung einer geldfreien Zukunft – sofern sie gut durchdacht sein möchte – ein komplexes Anliegen ist: „Geld hat sich im Laufe der Jahrhunderte zum absoluten Medium entwickelt“ (S. 105), insofern, als dass Geld sowie die dahinterstehende Tauschlogik Teil unserer Art zu denken geworden sind. Es fällt den Menschen schwer, sich gedanklich außerhalb dieser, vom Menschen geschaffenen und über Jahrhunderte hinweg ausgefeilten, reziproken Logik zu orientieren. Diesem Faktum sind sich auch die Autor:innen bewusst. Anstatt vorgefertigte Lösungen anzubieten, geht es darum, Geld in Frage zu stellen und alternative Projekte zu präsentieren.

Lösungsansätze aus der feministischen Ökonomie

Der Sammelband behandelt unter anderem das Transformationspotential von Krisen, im konkreten der Pandemie. Dabei sehen die drei Autorinnen die Unfreiwilligkeit der krisenbedingten Einschränkungen kritisch. Für einen post-pandemischen Wandel müssen Nachhaltigkeit und sozialer Zusammenhalt als Maßstab für Institutionen wie individuelle Verhaltensmuster gelten, Perspektiven hierfür seien vor allem in der feministischen Ökonomie zu finden. Feministische Denker:innen fordern Bewusstsein dafür, dass Geld kein neutrales Medium zur Abwicklung von Tauschgeschäften ist, sondern soziale Verhältnisse und Machtungleichgewichte repräsentiert. Das Ziel einer geldfreien Zukunft könne aber über Etappen zur nachhaltigen Transformation erreicht werden. Instrumente hierfür seien beispielsweise das bedingungslose Grundeinkommen, eine Neubewertung von bezahlter und unbezahlter Arbeit sowie die Entkoppelung von sozialer Anerkennung und Einkommen beziehungsweise Vermögen.

Mit Commons und Vertrauen Geld entmachten

Auch Hansruedi Weber versteht in seiner Analyse Geld als Ausdruck sozialer Machtverhältnisse. Besonders kritisch sieht der Initiator der Vollgeld-Initiative (Schweiz) die Macht von Banken, welche den Einfluss des Staates durch ihre eigene, kreditgebundene Geldschöpfung (Girageld) untergraben. Die Rückzahlung von Bankkrediten (Girageld) muss jedoch aus der realen Wirtschaft kommen, sprich es muss produziert werden, damit es nicht zur Entstehung einer Blase kommt. Um der daraus entstehenden Wachstumsmaxime und der damit einhergehenden Ausbeutung von Mensch und Natur Einhalt zu gebieten, brauche es Weber zufolge nicht die Abkehr vom Kreditsystem, sondern neue Wirtschafts- und Geldgemeinschaften, welche – und das erscheint unabdingbar – die monetäre Souveränität besitzen. Denn nur, wenn wir Institutionen aus der Gemeinschaft heraus und auf der Grundlage von Vertrauen aufbauen, könne gutes, nachhaltiges Wirtschaften Erfolg haben, so der Autor.

Durch die Verbindung von Theorie und Praxis werden auf allen Ebenen Stärken und Schwächen einer Zukunft ohne Geld sichtbar. Die Autor:innen reflektieren individuelle Erfahrungen in Gemeinschaften ohne Geld durchaus kritisch und zeigen, wo wir als Gesellschaft umdenken müssen, wenn ein Wirtschaften ohne - oder mit anderem - Geld gelingen sollte. „Die Absicht der Überwindung des Geldes ändert nicht nur unseren Umgang mit der Natur, sondern sie regeneriert auch unsere zwischenmenschlichen Beziehungen sowie die Beziehung zu uns selbst“. (S. 130)