Haben Medizin und Pharmazie die eigene Macht überschätzt?

Ausgabe: 1994 | 2

Die Ökologiebewegung, die von den meisten bloß gefühlte Fragen und Zweifel am Weg unserer Gesellschaft artikulieren konnte, hat viele einzelne und so manche Berufsgruppe aus der stolzen Beschaulichkeit um die Erfolge eigener Arbeit gerissen. Die Nebenwirkungen sind plötzlich ins Gerede gekommen, die bitteren Pillen. Dieses Bändchen dient vor allem der Positionsbestimmung zweier gesellschaftlicher Gruppen, die lange Zeit von der Gnade verwöhnt waren, Erleichterung bringen zu können. Sich und ihrer Arbeit aber scheinbar plötzlichen Zweifeln ausgesetzt sehen.

Haben Medizin und Pharmazie die eigene Macht über- und die Rolle einer gesunden Umwelt für die menschliche Gesundheit unterschätzt? In mehreren Essays, allesamt lesenswert, wird, mitunter ein wenig abstrakt, um den Weg zwischen radikaler Erkenntnis und bewährter Praxis gerungen. Selbstzweifel (wohlbedachte Selbstanklagen werden es wohl nicht sein) von Vertretern der pharmazeutischen Industrie klingen ebenso durch wie die Suche der Ärzteschaft nach konkurrenzloser Kompetenz in Sachen menschlicher Gesundheit. Das Schöne an solchen Büchern ist, dass man sich dem einen oder dem anderen Autor besonders zuneigen kann. Die Beiträge, in denen es um Erkenntnis geht und nicht um die Kenntnis des besten Vorgehens für seine Interessen, sind jedenfalls am besten zu lesen. Geboren ist der Homo oecologicus jedenfalls noch nicht. Auch wenn die Gynäkologen bereitstehen, um ihm in diese Welt zu helfen.

Lernprozesse. Homo oecologicus - eine schwere Geburt. Hrsg. v. Dieter Krebs ... Düsseldorf u. e.): Econ-Verl., 1993. 1275., DM 49,80 / sFr42,30 / öS 389