Globale Perspektiven für Entwicklung und Umwelt

Ausgabe: 1992 | 3

„Sustainable Development" - dies war der zentrale Begriff der UNO-Konferenz über Umwelt und Entwicklung (UNCED) im Juni in Rio. Dieser zentrale Terminus des ökologischen Diskurses ist nicht neu: Von „Nachhaltigkeit" schrieben bereits die Pioniere der Wissenschaft in den fünfziger Jahren; der Begriff des "Sustainable Development" tauchte 1980 in der WeItstrategie für die Erhaltung der Natur" der World Conservation Union (IUCN) auf. In das Vokabular der internationalen Umweltpolitik gelangte er durch den" Brundtland-Report" von 1987. "Nachhaltige Entwicklung" ist auch der zentrale Begriff in Stephan Schmidheinys Buch. Der Schweizer Industrielle wurde 1990 von Maurice Strong, der als Generalsekretär die UNCED vorbereitete, zum Hauptberater ernannt und beauftragt, einen" Business Council for Sustainable Development" (BCSD) zu bilden. Durch dieses Forum sollte die Industrie in die Vorbereitungen der UN-Konferenz eingebunden werden. Schmidheiny versammelte im BCSD 48 Spitzenunternehmer, allesamt Präsidenten und exekutive Leiter internationaler Firmen, unter anderem ABB, VW, Ciba-Geigy, Nissan, Henkel - ein Drittel davon aus der Dritten Welt. "Sustainable Development" ist letztlich nichts anderes als die Kombination von Wachstum und Umweltschutz. Ist dieses Konzept überhaupt realisierbar? Ist es mehr als ein frommer Wunsch, weil Unvereinbares zusammengebracht werden soll? Ist die Initiative Schmidheinys mehr als eine Offensive der lndustrie ihr Glaubwürdigkeitsdefizit in Sachen Umweltschutz aufzubessern? Die Probe kann am besten im Bereich Energie - der ökologischen Schlüsselgröße - erfolgen. Hier wurden vom BCSD zukunftsträchtige Strategien aufgenommen: die Einbeziehung der Umweltkosten in den Energiepreis u.a. als Anreiz für eine Verbesserung der Energieeffizienz und Energieeinsparung; das grundsätzliche Bekenntnis zu scharfen staatlichen Emissions- und Immissionsvorschriften und damit eine Absage an das Dogma der Selbstregulierung der Wirtschaft usw. Andererseits vermisst man ein eindeutiges Votum für die strikte Beschränkung auf erneuerbare Ressourcen - Grundvoraussetzung einer auf lange Sicht tatsächlich dauerhaften Entwicklung. Im Gegenteil: Die Modernisierung chinesischer Kohlekraftwerke durch ABB wird im zweiten Teil des Buches als eine von 38 wegweisenden Initiativen angeführt und als Schritt zur nachhaltigen Entwicklung Chinas verkauft. In diesen Defiziten - auf die" Greenpeace" in scharfer Form hingewiesen hat - zeigt sich die Beschränkung auf eine rein unternehmerische Perspektive; die Einbindung von wissenschaftlichen Ökologen und Ökonomen wäre gewinnbringend gewesen. Gleichwohl ist die Pionierarbeit Schmidheinys und seines" Unternehmerrats" wichtig: als grundsätzliches Bekenntnis führender Industrieunternehmer zur ökologischen Vernunft, auf das man sich gegenüber der Heerschar ihrer Kollegen berufen wird können, die die Herausforderung der globalen Krise noch nicht begriffen haben. E. F.

Schmidheiny, Stephan: Business Council tor Sustainable Development:  Kurswechsel. Globale unternehmerische Perspektiven für Entwicklung und Umwelt. München: Artemis und Winkler, 1992, 448 S., DM 48,- / sFr 40,70 / öS 374,40