Gewalt, Rechtsextremismus, Mitte und Rand der Gesellschaft

Ausgabe: 1995 | 1

Der "Blick nach rechts" fällt vielfach oberflächlich als ein Blick an den personellen Rand von Gesellschaft und politischer Kultur aus. Diese Sichtweise ermöglicht eine leichte Distanzierung und bleibt was Lösungen anbelangt, in der Regel beim Ruf nach strafrechtlichen Maßnahmen und ordnungspolitischen Mitteln stehen. Der vorliegende, von Vertretern aus Politik- und Sozialwissenschaften gestaltete Band lenkt die Aufmerksamkeit bewußt auf die "Mitte" der Gesellschaft.

Kritisch beleuchtet er die latente Fremdenfeindlichkeit sowie den sogenannten "normalen Nationalismus". In der Politik werden "ambivalente Bewältigungsversuche" in der Wirtschaft neue Fronten ausgemacht: "Gewerkschaften kämpfen für nationale Arbeitsplätze, während das Management auf Internationalisierung setzt". Die Schule - sie sei aufgrund ihrer Zielkonflikte in einer "permanenten Konfrontation mit sich selbst" - könne Problemlösungskompetenz nur dann erreichen, wenn es ihr gelingt, das "Soziale" gegenüber dem Funktionalen" in den Mittelpunkt zu rücken, Jugendarbeit "gegen rechts" hingegen nur Erfolg haben, wenn sie sich politisiert und offensiv für eine Veränderung der “Lebenswelten" der Gefährdeten eintritt. Die Medien stünden, so die zentrale These eines weiteren Beitrags, in einem "Öffentlichkeitsdilemma", da sie zwar den Auftrag hätten, über gesellschaftlich relevante Ereignisse zu berichten, so aber den Gewalttätern erst die gewünschte Aufmerksamkeit verleihen.

Im Sicherheitsbereich wird eine “Verpolizeilichung der Politik" sowie eine "Politisierung der Polizei" befürchtet. Der Beitrag über die Justiz warnt vor der Ausgrenzung insbesondere jugendlicher Straftäter: "Denn Strafrecht könne nur Straftaten, nicht Gesinnungen bekämpfen." Mit Blick auf die Zukunft werden schließlich konfliktträchtige Bereiche interkultureller oder interethnischer Art analysiert, etwa die Renaissance kultureller Homogenisierungsvorstellungen sowie die Eskalationsgefahr durch extremistische Gruppen, die auch rechtsterroristische Varianten nicht mehr ausschließe. "Insgesamt drängt die Notwendigkeit eines Blickwinkels auf die zentralen Institutionen, weil sonst gegen eine Gewalt von rechts nur noch Gewalt gegen rechts übrigbleibt" , bringt der Herausgeber das "Gewaltdilemma" auf den Punkt und macht das Anliegen dieses wichtigen Buches deutlich.

H. H. 

Das Gewalt-Dilemma. Gesellschaftliche Reaktionen auf fremdenfeindliche Gewalt und Rechtsextremismus. Hrsg. v. Wilhe/m Heitmeyer. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1994. 465 S. DM 29,80 / sFr 30,80 / ÖS 233,-