Gespräche über das Verhältnis des Menschen zur Natur

Ausgabe: 1993 | 2

"Bis jetzt ist nichts geschehen, um den Gang der Dinge zu verändern, und da dieser kumulativ katastrophenträchtig ist, so sind wir heute dem bösen Ende eben ein Jahrzehnt näher als damals." So das nüchterne Resümee des Philosophen Hans Jonas im Jahr 1992 mit Blick auf sein 1979 erschienenes Werk "Das Prinzip Verantwortung". Dieses breit rezipierte Buch, das in bewußter Kontrastierung zu Blochs "Prinzip Hoffnung" die Grenzen technischer Machbarkeit formulierte und die Verantwortung gegenüber der Natur einforderte, ist der immer wiederkehrende Bezugsrahmen dieses acht aktuelle Interviews und die Rede anläßlich der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels (1987) umfassenden Bandes. Jonas' "Ethik der Verantwortung" beeindruckt durch ihre Konkretheit, stringent legt sie die Folgen unseres naturzerstörerischen Wirtschaftens 'offen, präzise antwortet sie auf die Verlockungen der Gentechnologie oder die entflammte Diskussion über Euthanasie. Schärfer geworden ist der Ton gegenüber dem Hedonismus der westlichen Industriegesellschaften, drängender die Appelle zur Umkehr. Jonas setzt auf die "Erziehung des Allgemeinbewußtseins", auf das "Öffnen der Augen", die Umweltbewegungen sieht er als die neue „Internationale" eines "steten Lautwerdens sachlicher Einsicht und Sorge", glaubt aber, daß der Macht der Einsicht" letztlich nur durch das Lernen aus Katastrophen zum Durchbruch verholfen werden könne. Die Verpflichtung zum Weitertun und Weitermahnen ergibt sich für den Philosophen aus der Fähigkeit zur Verantwortung - die Frage, ob das Engagement reichen wird, sei daher zweitrangig. Im Mai dieses Jahres wäre Hans Jonas neunzig geworden, er ist kurz davor gestorben. Seine scharfsinnigen Überlegungen und Urteile sind uns eine wertvolle Argumentationshilfe gerade in der gegenwärtigen Umbruchszeit. die zwischen der Selbstzufriedenheit und Arroganz des westlichen 5iegermodells und den zunehmenden Katastrophen hin und her baumelt. Die Ergänzung des Schutzes der Grundrechte des einzelnen in unseren freiheitlich-demokratischen Verfassungen durch die" Grundpflichten des Ganzen gegenüber der Zukunft", wie sie Jonas fordert, haben wir noch vor uns. H. H.

Jonas, Hans: Dem bösen Ende näher. Gespräche über das Verhältnis des Menschen zur Natur. Hrsg. v. Wolfgang Schneider. Frankfurt/M.: Suhrkamp, 1993. 1035., DM 12,-/sFr10,20/öS93,60