Wo "The Tyranny of Metrics" von Jerry Z. Muller aufhört, fängt das von Jamie Susskind an. Muller zeigte, wie es zur aktuellen Vorliebe der Quantifizierung von Ergebnissen („Metrics“) kam und warum dies negative Folgen habe. Susskind zeichnet diese und andere Entwicklungen in die Zukunft weiter. Technik und Forschung verändern unsere Leben – gleichermaßen grundlegend und furchterregend. „I believe it is possible to make sensible, informed guesses about what the future might look like, based in what we know about current trends in science, technology, and politics. The biggest risk would be not to try to anticipate the future at all.“ (S. 5)
Als Grundlage für sein Bild der Zukunft betrachtet Susskind die aktuellen Entwicklungen. Zum einen wird das Leben immer stärker quantifiziert, die Sammlung und Speicherung von Daten werden immer umfangreicher und detaillierter. Wir erleben, dass Maschinen immer fähiger werden und bei einer immer größer werdenden Anzahl von Tätigkeiten den Menschen überlegen sind. Diese Maschinen werden in immer größer werdenden Umfang miteinander verbunden und für gemeinsame Leistungen zu Systemen integriert. Susskind spricht von einer digitalen Lebenswelt, einer „digital lifeworld“, die hier entsteht. Er strukturiert seine Überlegungen zur Zukunft in vier Bereiche: Macht, Freiheit, Demokratie und Soziale Gerechtigkeit.
In der Digitalen Lebenswelt werden die Machtinstrumente in ihren Fähigkeiten weit fortschrittlicher sein als sie es heute sind. „The main consequence for politics, I suggest, will be that those who control these technologies of power will be increasingly able to control the rest of us.“ (S. 23)
Ein entscheidender Satz für die Entwicklung der Freiheit ist folgender: „In short, the digital lifeworld will be home to systems of law enforcement that are arguably too effective for the flawed and imperfect human beings they govern.“ (S. 23) Das bedeutet, dass wir selbst bei Nicht-Missbrauch der Instrumente davon ausgehen sollten, dass sich unser Leben ändern wird. Kombiniert man dies mit dem Bedürfnis bestehender Strukturen, sich zu verteidigen, kann man schlussfolgern, dass in Zukunft Verbote (auch des Redens und Publizierens) effektiver durchgesetzt und geahndet werden können. Soziale Gerechtigkeit wiederum wird davon abhängen, wie Leistung und Erfolg definiert werden. Wer die quantifizierenden Matrizen in der Hand hält, entscheidet vorab über die Ergebnisse.
Susskind bleibt nicht bei diesem Entwurf einer „Zukunft als Katastrophe“ stehen, wie Eva Horn diese kontinuierliche Entwicklung nennen würde. Er beschreibt, wie man diese Entwicklung beeinflussen kann. Susskind spricht von Transparenz, einer neuen Gewaltenteilung in der Digitalen Lebenswelt und neu möglich werdenden Formen der Mitbestimmung.
Das Kapitel „Democracy in the Future“ skizziert die aktuellen Probleme und diskutiert neue Formen der digitalen Demokratie. Dazu gehören Varianten der direkten Demokratie, einer Wiki-Demokratie oder einer Daten-Demokratie. Schnell wird aber klar, dass keines der Modelle den beschreibenden Entwicklungen der Gesellschaft mit Sicherheit Herr wird. Ganz im Gegenteil: Manche der Modelle enthalten Denkelemente, die sie eher zum Ausdruck des Problems machen. Unter Datendemokratie verstehen ihre BefürworterInnen die Lösung politischer Probleme durch die schiere Menge des Wissens, das gemeinsam erhoben wird. Damit glaubt man auch hier daran, dass Daten, „richtig“ sortiert, politische Lösungen bringen. Politik ist aber etwas anderes als das Finden der wissenschaftlich „richtigen“ Lösung: Es ist das Austragen von Konflikten zwischen unterschiedlichen Interessen und Wertvorstellungen. Die Idee, dass es hier richtig und falsch gibt, passt sehr gut zu einer Welt, in der man effektiver denn je, im Sinne der Machthaber, Widerspruch im Griff haben kann.