Feministische Kapitalismuskritik

Ausgabe: 2016 | 4
Feministische Kapitalismuskritik

feministische KapitalismuskritikFeministische Denkansätze sind vieldimensional in ihren Perspektiven, mal überlappen sie, mal widersprechen sie sich – ein Feminismus existiert nicht. Was es jedoch gibt, sind gemeinsame Leitlinien, Ideen, die sich in allen Forschungssträngen wiederfinden lassen. Brigitte Aulenbacher, Birgit Riegraf und Susanne Völker beleuchten eines dieser verbindenden Elemente der feministischen Forschung: Kapitalismuskritik. Kritik an bestehenden Machtverhältnissen, an verdeckten Herrschaftsstrukturen, die kapitalistische Produktionsmechanismen erst ermöglichen und zugleich in diesen reproduziert werden. Ohne die Unterschiede zwischen den verschiedenen Denkschulen aus dem Blick zu verlieren, stellen die Autorinnen den Zusammenhang zwischen Geschlechterhierarchien und kapitalistischen Strukturen im Gestern, Heute und Morgen dar.

In einem ersten Abschnitt beleuchtet Aulenbacher die Angewiesenheit des Kapitalismus auf unbezahlte Arbeit und dessen weitreichende Konsequenzen: ohne „unproduktive“ Haus-,Sorge-und Pflegearbeit, ginge die kapitalistische Rechnung nicht auf. Ohne die systematische ökonomische Geringschätzung von weiblich konnotierter „Reproduktion“ gegenüber männlich besetzter „Produktion“ fehlte es an Ausbeutungspotenzial. Geschlechtertrennung, so das Resumée, ist konstitutiv für das Leben im Kapitalismus. Dass Geschlechterhierarchien nicht nur national gedacht werden dürfen, macht das Beispiel von Care-Chains („Sorgeketten“) deutlich: die zunehmende Einbindung von Frauen in die ökonomische Sphäre in westlichen Gesellschaften führt dazu, dass Migrantinnen entstehende „Sorgelücken“ (es sei hier an die „24-Stunden-Polin“ gedacht) füllen und so einen (Neo-)Kolonialismus wiederaufleben lassen.

Riegraf denkt diese Abhängigkeiten weiter und fragt: Wie verändern sich Geschlechterarrangements im Heute? Welche Folgen hat die Erosion des Sozialstaates, die Ausdehnung des Ökonomischen auf alle Lebensbereiche? Dabei zeichnet sie ein widersprüchliches Bild: Während sich in Teilbereichen der Gesellschaft (wie etwa der Finanzwirtschaft) der „Konnex von Herrschaft, Macht und Männlichkeit“ (S. 28) laufend reproduziert, verändern zunehmend prekäre Arbeits-und Lebensverhältnisse in anderen Bereichen die kapitalistischen Geschlechternormen. Kurz, Kapitalismus ist ein soziales Phänomen, das ständig neu geschaffen wird, das weiterlebt durch Gedanken.

Hier setzt Völker an, wenn sie den Blick auf die Zukunft richtet: Kapitalismus muss gedacht werden, damit er funktioniert. Deshalb kann er auch umgedacht werden. Wenn Alternativen denkbar werden, werden sie auch lebbar. Die Autorinnen plädieren damit für eine aktive politische Einmischung, für die Verbindung von theoretischen Überlegungen mit praktischem Handeln.

Mit ihren Einführungen in die kapitalismuskritischen Feminismen der Gegenwart gelingt dem Autorinnentrio vor allem eines – aufzuzeigen wie durchdrungen unser tägliches Leben, unser Selbstverständnis, unser Miteinander von der kapitalistischen Produktionslogik ist. Lena Ramstetter

Bei Amazon kaufenAulenbacher, Brigitte; Riegraf, Birgit; Völker, Susanne: Feministische Kapitalismuskritik: Einstiege in bedeutende Forschungsfelder. Münster: Westfäl.Dampfboot, 2015. 179 S, € 15,90 [D], 16,40 [A]ISBN 978-3-89691-679-2