A.E. Johnson, K.K. Wilkinson

All We Can Save

Ausgabe: 2022 | 2
All We Can Save

All We Can Save besteht aus kurzen Texten von sechzig Frauen, die in den unterschiedlichsten Bereichen Vorreiterrinnen in der Klimabewegung sind. Herausgeberinnen sind Ayana Elisabeth Johnson, einflussreiche Meeresbiologin und Politikexpertin, sowie Katharine K. Wilkinson, Autorin und Chefredakteurin des Projekts „Drawdown“, das weltweit Klimalösungen erarbeitet. Die Anthologie ist aber weit mehr als eine Sammlung von Essays. Ziel ist zunächst, Frauen und deren Wirken und Expertise in der Klimapolitik sichtbar zu machen, und einen nuancierteren öffentlichen Diskurs anzufachen. Mit den eingewobenen Gedichten und künstlerischen Comics vermag das Werk zudem der Komplexität der Emotionen gerecht zu werden, die aufkommen angesichts des Wissens um das bereits Zerstörte und der immensen menschlichen Aufgabe, zu schützen und wiederaufzubauen; durch das Ineinanderwirken von Texten, Gedichten und Bildern entsteht eine Tiefe, die das Sachbuch besonders macht – es ist zugleich wohltuend und richtungsweisend, und stärkt die Entschlossenheit, nie einander und die gemeinsame Zukunft aufzugeben.

Wer von der Klimakrise betroffen ist

Aber warum das Hervorheben von Frauen im Zusammenhang mit der Klimakrise? Weil es die gleiche patriarchale Machtstruktur ist, die Frauen und nichtbinäre Menschen unterdrückt (und auch Männer einengt und verfälscht), die auch die Natur zerstört. Überlegenheit, Gier, rücksichtsloser Wettkampf befeuern nicht nur Ungleichheit und Rassismus, sondern auch die Klimakrise. Und leider verstärkt der Klimawandel bestehende Mängel der Gesellschaft noch zusätzlich. Von Umweltkatastrophen sind insbesondere Frauen, Frauen aus dem globalen Süden, Schwarze und Indigene Frauen betroffen. Die Verbindung zwischen dem Klimawandel und genderbasierter Gewalt tritt deutlich hervor (vgl. S. xviii). Die Klimakrise vereitelt Rechte und Möglichkeiten von Frauen, weshalb gendersensible Strategien bei Klimamaßnahmen entscheidend sind – und umgekehrt sind diese bedeutend im gesamtgesellschaftlichen Streben nach Gerechtigkeit. „Equity is not secondary to survival, as some suggest; it is survival“ (S. xix).

Perspektivenreiche Essays

Die Essays sind acht Überbegriffen zugeordnet: Root, Advocate, Reframe, Reshape, Persist, Feel, Nourish und Rise. Als Wurzel wird beispielsweise das heute wieder aktiv gesuchte Indigene Wissen verstanden, das von den europäischen Kolonisten als primitiv eingestuft wurde. Gerade dieses dem westlichen Denken zugrundeliegende Einordnen in Kategorien hat zu einer zerstörerischen Kultur der Fragmentierung geführt. Dagegen ist die Welt aus dem Indigenen Blickwinkel ein Ganzes. Das sogenannte „kinship“-System ermöglicht ein Modell gegenseitiger Fürsorge: Die Erde sorgt für uns und wir für sie. Um zu überleben, gilt es zu verstehen, dass wir nicht als Einzelne existieren, sondern als „Interbeeings“ in ein Streben nach Gleichgewicht mit allen Lebewesen eingebunden sind, so die Aktivistin Sherri Mitchell (vgl. S. 17f. u. S. 25).

Die Menschenrechtsanwältin Colette Pichon Battle betont die Wichtigkeit eines weiteren grundlegenden Verständnisses: Das Problem ist nicht der Klimawandel, sondern dieser ist das Symptom eines Systems, das nur einigen wenigen Menschen dient, allen anderen und dem ganzen Planeten aber die Substanz zum Überleben entzieht. Diese sozialen, politischen und ökonomischen Mechanismen der Ausbeutung sind es, die transformiert werden müssen – in Systeme, die regenerativ wirken und auch die menschliche Freiheit global befördern. Klimatisch bedingte Migration könnte in der Folge als weltweite Notwendigkeit des Überlebens anerkannt, und statt individuelle Privilegien zu verteidigen, könnte in die Entwicklung einer kollektiven Resilienz investiert werden (vgl. S. 331).

Wenn es ums Überleben geht, ist Gemeinschaft unverzichtbar. Brechen Infrastrukturen zusammen, müssen die Menschen vor Ort aufeinander und ihre Ressourcen zurückgreifen. Christine E. Nieves Rodriguez hat nach der Erfahrung eines Hurricans gemeinschaftlich ein Modell entwickelt, das an andere weitergegeben werden kann (vgl. S. 366f.).

Großen Einfluss nimmt zudem das Narrativ einer Gesellschaft auf Denken und Handeln. Das Narrativ des Kapitalismus hat sich als zerstörerisch erwiesen – welches kann an seine Stelle gesetzt werden? Die Künstlerin Favianna Rodriguez betont den Einfluss der Kultur auf die Imagination und Inspirationskraft für den Wandel, den es braucht (vgl. S. 121). Auch Naomi Klein plädiert in ihrem Beitrag für die Veränderung des Narrativs und die Kraft der Imagination. Welche Art von Leben und Gesellschaft ist wünschenswert? Der Green New Deal stellt beispielsweise einen solchen Entwurf einer gelingenden Transformation dar (vgl. S. 45).

Der optimistische Blick nach vorn hilft, die Herausforderungen anzupacken. Entscheidend ist aber nicht, zwischen Optimismus und Pessimismus zu wählen, sondern ehrlich mit sich selbst zu sein, so Ash Sanders. Wenn jemand deprimiert ist, weil kaum je genug gegen die Missstände getan werden kann, dann verweist dies nicht auf die Person selbst, sondern auf ihr Eingebunden-Sein in eine kranke Gesellschaft, in der das Überleben von Untätigkeit abhängt. Aber ist man krank, wenn man sich den Tatsachen öffnet oder wenn man sich ihnen verschließt (vgl. 246f.)?

Was wir noch retten können

Der Titel All We Can Save spricht sehr eingängig die Haltung des gesamten Projekts an. Es will die Lage nicht beschönigen, sie aber auch nicht beklagen. Vieles ist bereits verloren, trotzdem macht es Sinn, den Blick auf all das zu richten, was wir noch retten können. Auf der ganzen Welt sind Frauen, trotz und wegen ihrer unmittelbaren Betroffenheit, aktiv. Ja, die führende Kraft in der Klimapolitik ist zunehmend feminin und feministisch. Dennoch sind Frauen heute noch unterrepräsentiert und marginalisiert. Die Herausgeberinnen sehen in der Klimakrise auch eine Führungskrise und plädieren für mehr feministische Führung.

Das Buch ist an alle gerichtet, die sich um die gemeinsame Zukunft sorgen, die neue Perspektiven und kühne Ideen suchen und eine Diversität von Stimmen zu den drängenden Fragen unserer Zeit schätzen.