Essen auf Rezept

Ausgabe: 2000 | 3

Sich häufende Lebensmittelskandale, garniert mit immer wiederkehrenden Warnungen vor der Zunahme ernährungsbedingter Krankheiten haben zu einer Sensibilisierung hinsichtlich unserer Essgewohnheiten geführt. Gesundheitsmagazine sprießen, ErnährungswissenschaftlerInnen haben ihre fixen Kolumnen in den Medien, Fernsehdoktoren klären uns auf über die beste Ernährung. Das ist gut so und richtig.

Doch kein Trend, hinter dem nicht auch ein Geschäft gewittert würde. Während aus der ökologisch motivierten Ecke Vorschläge zur Regionalisierung der Nahrungsketten und zu Bio-Lebensmitteln kommen (dies würde die heimische Landwirtschaft stärken), entwickelt die Lebensmittelindustrie etwas (bei uns) ganz Neues: Functional Food. Also Lebensmittel, die nicht nur gut schmecken, dem Magen bekommen und satt machen, sondern Vitalität und Kraft versprechen, und nicht nur das, sondern vorgeben, gezielt vor Krankheiten zu schützen, die wir alle zu Recht fürchten: vom Herzinfarkt bis zum Krebs.

Marcus Brian – er ist Biochemiker und Toxikologe und arbeitet seit 1996 beim ÖKOTEST-Magazin – betreibt mit seinem Buch wichtige Gegenaufklärung. Sachlich versiert, gut verständlich und obendrein unterhaltsam führt er durch das Dickicht von Ernährungslügen und Gesundheitsfragen. Der Bogen spannt sich von den „Mythen“ über die Vitamine -  für Vitamin- und Mineralstoffpräparate geben allein die Deutschen jährlich über eine Milliarde Mark aus, doch nur 4 Prozent leiden tatsächlich an Vitaminmangel – über „probiotische“ Joghurts, hinter denen wenig Besonderes steckt, bis hin zu neuen medizinisch klingenden Essenzen wie „Omega-3“-Fettsäuren, die in Fischgerichten zwar ihre Gesundheitswirkung (Vorbeugung gegen Herzinfarkte) entfalten, in teuren Säften und Gebäck aber kaum etwas bewirkten. Der Autor entzaubert auch „Wundermittel“ wie den aus einem Teepilz gewonnenen  „Kombucha“ sowie jenes Getränk aus der Dose, das einen Österreicher reich gemacht hat, das aber nur wegen seines Koffeins „Flügel verleiht“ (und nicht wegen kolportierter Substanzen aus Stierhoden) und daher – vor allem in größeren Mengen genossen – die Gesundheit schädigt. Wie überhaupt – dies macht das Buch sehr deutlich ‑ der durch Werbung und gezieltes Marketing vermittelte Glaube, durch Einzelpräparate seine Gesundheit zu erhalten, in die Irre führt. Und bei „Überdosen“ sogar das Gegenteil dessen bewirkt, was er verspricht.

Nicht verwunderlich, dass auch die Genforschung auf den Gesundheitszug aufgesprungen ist, die uns ‑ wie der Autor in einem eigenen Kapitel berichtet – nicht nur Kartoffel mit weniger „Fettliebe“ verspricht (was vor allem die Chips- und Pommes Frittes-Hersteller freuen wird), sondern auch solche, die große Mengen Carotinoide produzieren oder Raps, der die bereits genannten Omega-3-Fettsäuren enthalten soll.

Brian schließt mit einem beruhigenden Kapitel, in dem er aufzählt, welche Nährstoffe in all unseren natürlichen Lebensmitteln stecken ‑ vom einfachen Brot über Obst und die verschiedenen Gemüse bis hin zu den vielen Kräutern, die nicht nur Geschmack, sondern auch Kraft geben. Es seien nicht unsere alltäglichen Nahrungsmittel, die krank machten und deshalb verbessert werden müssten, „es ist die falsche Auswahl, die zur Krankheit führen kann“ (S. 129). H. H.

 

Brian, Marcus:  Essen auf Rezept. Wie Functional Food unsere Ernährung verändert. Stuttgart (u. a.): Hirzel, 2000. 174 S., DM 38,-  / sFr 37,- / öS 277,-