Entwicklung und Frieden im 21. Jahrhundert

Ausgabe: 2000 | 3

Vor zwanzig Jahren legte Willy Brandt als Vorsitzender der Nord-Süd-Kommission den sogenannten „Brandt-Report“ dem Generalsekretär der Vereinten Nationen vor. Im vorliegenden Sammelband gehen in 25 Beiträgen Freunde und Weggefährten der Frage nach, was nach zwei Jahrzehnten von den Ideen des „Reports“ noch erinnerungswürdig ist. Im Mittelpunkt stehen dabei die Herausforderungen an die Politik der Zukunft unter dem Stichwort „Weltinnenpolitik“ vor dem Hintergrund der Globalisierung.

Zunächst würdigen politische Repräsentanten (Johannes Rau, Richard v. Weizsäcker, Egon Bahr und Ingvar Carlsson) das Leben und Wirken Willy Brandts. Kritik am Credo des Brandt-Berichts, der davon ausging, dass politische Vernunft geradezu das Erkennen „Gemeinsamer Interessen“ erzwinge und die „Globalisierung der Politik“ das „gemeinsame Überleben“ sichern könne, äußert der Wirtschaftswissenschaftler Ingomar Hauchler, indem er an die Unzulänglichkeiten und Schwächen von Politik und Demokratie erinnert. Martin Khor vom „Third World Network“ konstatiert, dass sich der Nord-Süd-Konflikt noch nicht in der Harmonie „gemeinsamer Interessen“ verflüchtigt habe. Trotz einiger kritischer Anmerkungen gilt aber der „Brand-Report“ auch heute noch als epochaler Beitrag zur entwicklungspolitischen Bewusstseinsbildung. Über seine Wirkung ist man geteilter Ansicht, weil viele der Forderungen und Empfehlungen folgenlos geblieben sind.

Im Hauptteil geht es um die Frage, welche neuen Herausforderungen für Frieden und Entwicklung sich am Beginn des 21. Jahrhunderts abzeichnen. Wenn, wie es in vielen Beiträgen anklingt, Entwicklungspolitik Friedenspolitik ist, bedarf es, so insbesondere Herausgeber Franz Nuscheler ‑ jedenfalls einer besseren Koordination friedenserhaltender Maßnahmen auf europäischer und globaler Ebene. Der frühere spanische Ministerpräsident Felipe González fordert nachdrücklich eine Stärkung der friedenspolitischen Handlungsfähigkeit der EU. Auf dem Weg zu einer zukunftsweisenden Globalpolitik gilt die Fähigkeit zur Zivilisierung von Konflikten durch gewaltfreien Austauch divergierender Positionen nach wie vor als wichtigstes Element.

Auch die umfassend angelegte Initiative „Commission on Global Governance“ beschäftigt sich mit einer neuen Weltordnung im Zeichen der Globalisierung. Drei Voraussetzungen nennt die Kommission für das Funktionieren von Global Governance: langfristig gesicherten Frieden in und zwischen rechtsstaatlich verfassten Staaten, ein verbindliches Völkerrecht und universelle Menschenrechte. Gesucht ist also nach wie vor ein globaler Ordnungsrahmen – eine Weltfinanz- und Handelsordnung, eine Weltsozial- und Umweltordnung sowie eine Weltfriedensordnung, denn so Willy Brandt, „ohne Frieden ist alles nichts“. A. A.

 

Entwicklung und Frieden im 21. Jahrhundert. Zur Wirkungsgeschichte des Brandt-Berichts. Sonderband der Stiftung Entwicklung und Frieden. Hrsg. v. Franz Nuscheler. Bonn: Dietz, 2000. 512 S. (EINE Welt - Texte der Stiftung Entwicklung und Frieden ; Sonderbd.) DM 38,- / sFr 37,- / öS 277,-