Erlebnisgesellschaft - Streifzüge durch die Eventkultur

Ausgabe: 1999 | 4

In einer Gesellschaft, in der die materiellen Grundbedürfnisse des Menschen meist abgedeckt sind, bedeutet die Suche nach dem Glück mehr als die Abwehr von Unglück. Bei dieser Suche ohne Ende spielen bewußt hergestellte Illusionen (“Kulissen”) eine nicht zu unterschätzende Rolle. Gemeint sind in diesem Zusammenhang jedoch keine lügnerischen Täuschungen, mittels derer die Wirklichkeit verfälscht wird; vielmehr geht es bei Erlebnisparks, Computerspielen und Filmen um “spielerische Kulissen”, in denen eine neue Realität künstlich geschaffen wird. So stellen die Events - für ein Publikum inszenierte Ereignisse - einen nicht mehr wegzudenkenden Teil der Erlebnisgesellschaft der Gegenwart dar.

Der Sozialforscher Gerhard Schulze versucht in einer Reihe von Essays, verschiedenen Ausprägungen der Kulissen des Glücks nachzuspüren: Die Themenpalette reicht dabei von der öffentlich gewordenen Sexualität, die den Widerspruch zwischen Intimität und Inszenierung deutlich werden läßt, bis hin zur Entwicklung des Lachens als Anzeichen einer Annäherung an das Private im Zeichen der Ironie.

Daß das “Event” zum Modewort der neunziger Jahre geworden ist, liegt allerdings nicht daran, daß es die darin verkörperte Gier nach Erlebnissen nicht bereits in früheren Jahrhunderten gegeben hätte. Im Gegensatz zu damals kann das Stillen des Erlebnishungers jedoch heute oft als einziges Motiv für solche Veranstaltungen gelten. In den zahlreichen inszenierten Ereignissen findet sich neben Faszination auch eine “kollektive Selbstvergewisserung” (S.83); auf diese Weise soll auch die ewige Frage nach dem Sinn des Lebens beantwortet werden. Der Mensch des ausgehenden 20. Jahrhunderts definiert sich durch das, was ihm gefällt; es ist für jeden Geschmack etwas dabei. Mittlerweile macht sich eine stetige Vermehrung und Verdichtung bemerkbar, die zu einem gewissen Event-Überdruß zu führen scheint. Besonders in der Medienwelt bewirkt die ständige Jagd nach Quoten und Marktanteilen und der Kampf gegen die drohende Langeweile eine Steigerungswelle, die beispielsweise mittels zunehmender Reizintensität (immer lauter, schneller, schriller) angetrieben werden soll. Ein Prozeß, der sich jedoch nur bis zu einem gewissen Grad fortsetzen läßt und in Zukunft notwendigerweise irgendwann an seine Grenzen stoßen muß. Wenn der Stilbruch zum Stilmittel geworden ist, alle Tabus gebrochen und alle Geheimnisse erforscht worden sind, wird die menschliche Suche nach dem Glück sich von den äußeren Sinnillusionen abwenden und sich dem Inneren des eigenen Selbst zuwenden müssen.


C. H.

Schulze, Gerhard. Kulissen des Glücks. Streifzüge durch die Eventkultur. Frankfurt/M. (u. a.): Campus-Verl., 1999. 112 S., DM 29,80 / sFr 27,50 / öS 218,-