Entwicklungspolitik - Der Süden vor dem 21. Jahrhundert

Ausgabe: 1998 | 1

Analysen der bestehenden Situation in den ”Entwicklungsregionen" des Südens sowie Berichte über Erfolge und Fehlschläge in der Entwicklungspolitik der letzten Jahrzehnte stehen im Zentrum der hier zusammengestellten 13 Beiträge, wobei - dem Untertitel des Buches entsprechenden - jeweils auch Ausblicke auf die Zukunft versucht werden. Neben ökonomischen Fragen (Verschuldung, Handel und Rohstoffe, Weltwirtschaft, Ernährung) kommen dabei auch die Bereiche Demokratie und Menschenrechte, Konflikte und Friedenssicherung, Flucht und Migration, Bevölkerungswachstum, Urbanisierung, die Lage der Frauen sowie die ökologische Problematik im Nord-Süd-Kontext zur Sprache.

Die Faktenlage gibt nur bedingt Anlaß zu Zuversicht: Der Bericht über die menschliche Entwicklung von 1996 hat erneut darauf aufmerksam gemacht, daß weltweit ca. 100 Länder mit einer Gesamtbevölkerung von 1,5 Mrd. Menschen seit 1980 kein Wachstum erzielt haben und sich die Einkommenskluft zwischen den reichsten 20 Prozent und den ärmsten 20 Prozent der Weltbevölkerung während der letzten drei Jahrzehnte von 30:1 auf nunmehr 61:1 verbreitert hat (Opitz, S. 11). Ungebremst ist auch das Wachstum der Weltbevölkerung; allein 1997 betrug dieses 79 Millionen Menschen (jede Minute 152); bis zu einer Stabilisierung werden zumindest noch weitere 50 Jahre vergehen. Angesichts dieser Prognose fordern die Bevölkerungsexperten Rainer Münz und Ralf Ulrich eine drastische Verstärkung der Familienplanungshilfen sowie des Verhütungsmittelangebotes: erst 400 bis 450 Mio. Paare in der "Dritten Welt“ nützen gegenwärtig die Möglichkeit der Empfängnisverhütung. Zur Reduktion des Bevölkerungswachstums müßte die Zahl der verhütenden Paare bis 2020 um 300-350 Mio. steigen (S. 131). Eng verknüpft mit dem Bevölkerungswachsturn ist die Urbanisierung. Im Jahr 2025 werden zwei Drittel der dann auf etwa 8,4 Mrd. angewachsenen Weltbevölkerung in Städten leben, die Mehrzahl in Großagglomerationen Asiens und Lateinamerikas. Neben der Zunahme der städtischen Armut werden in der Urbanisierung aber auch Chancen gesehen: "Die Slums und Ghettos sind nicht nur Zentren der Kriminalität. sondern auch der Kooperation." (S. 139). Daß über 40% der heutigen Millionenstädte an Küstenstreifen knapp über, oft auch unter dem Meeresspiegel liegen, birgt hinsichtlich des zu erwartenden Klimawandels massives Katastrophenpotential.

Vorsichtig optimistisch skizziert der Ökonom Stefan A. Schirm im abschließenden Beitrag die Entwicklungspotentiale regionaler Wirtschaftsräume wie MERCOSUR, AFTA oder APEC im Rahmen einer globalisierten Wirtschaft, für welche freilich dringend eine "internationale Wettbewerbsordnung" gefordert wird. In diesem Kontext von Bedeutung ist auch ein Beitrag über den Zusammenhang von "Kultur und Entwicklung", der das ”Erfolgsmodell" asiatischer Staaten (Ablehnung eines extremen Individualismus, Familienbindung, hoher Stellenwert von Bildung, harte Arbeit und "nationales Teamwork", autoritärer Pluralismus u.a.m.) kritisch beleuchtet.

Ausgehend vom Konzept der "nachholenden Entwicklung" und den komparativen Kostenvorteilen in einer globalisierten Wirtschaft, sehen die Mehrzahl der Autoren dieses Bandes in einer weiteren, wenn auch abgestuften Integration der ”Entwicklungsregionen" in den Weltmarkt den besten Weg, die Kluft zwischen Nord und Süd zu verringern.

H. H.


Grundprobleme der Entwicklungsregionen. Der Süden an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Peter J. Opitz. München. Hrsg. v. Beck, 1997. 262 S.