Eine Kontroverse

Ausgabe: 2015 | 1

Alain Badiou und Alain Finkielkraut sind zwei der führenden Intellektuellen Frankreichs. In dem Band „Klartext. Eine Kontroverse“ streiten die beiden über Nationalismus, Israel, den Mai´68 und den Kommunismus. Badiou nimmt dabei die Position des Kommunisten ein, der freilich die kommunistischen Versuche des 20. Jahrhunderts kritisiert, ihre Berechtigung aber verteidigt und den Begriff des Kommunismus aufrechterhält. Finkielkraut hingegen hält dem liberale Auffassungen entgegen. Badiou, dessen philosophische Texte oft schwer zu lesen sind, ist in dieser Diskussion leicht zu erfassen, seine Argumente sind klar und können auch als Einstieg in eine umfangreichere Badiou Rezeption nützlich sein.

Spannend ist das von Aude Lancelin moderierte Gespräch an vielen Stellen, die grundlegenden Unterschiede zwischen den beiden Ideenfamilien werden aber in der Debatte über den Kommunismus klar. Finkielkraut lehnt den Kommunismus ab, weil er das Private politisch sieht und damit zu einem Gegenstand des Eingriffs macht, weil er eine radikal neue Welt will. „Wenn alles politisch ist, ist alles dazu verurteilt, polizeilich zu werden.“ Er hält dem eine Geschichte des graduellen Fortschritts entgegen, der Zivilisation als Kunst der Trennung versteht: Trennung von Kirche und Staat, von Zivilgesellschaft und politischer Gemeinschaft, Trennung von privatem und öffentlichem Leben. (S. 130) „Die grundlegende ontologische Entscheidung der Neuzeit besteht darin, eine Welt zu errichten und zu verteidigen, in der es das Ganze nicht gibt.“ (S.132)

Badiou sieht diese Kritik des Kommunismus als totales, vereinheitlichendes System als nicht gerechtfertigt. „Wir müssen auf den wahrhaften Sinn des Wortes `Kommunismus´ zurückkommen, auf seinen generischen Sinn, nämlich auf die Hypothese, dass die menschlichen Gesellschaften nicht notwendigerweise vom Prinzip des privaten Eigennutzes geleitet werden. Das bedeutet keineswegs, dass das Kollektiv das Individuum absorbiert oder irgendetwas in der Art.“ (S. 134)

Die zweite Linie des Dissenses ist die Frage des Antagonismus. Finkielkraut kritisiert, dass von Badiou eine nur zweiseitige Konfrontation zwischen dem Status quo und der neuen Gesellschaft aufgebaut werde. „Dieser Dualismus führt zu Verbrechen, denn er entwertet nicht nur die Vergangenheit und verdammt sie zur Nichtigkeit, sondern unweigerlich auch die Menschen, die sie verkörpern.“ (S. 140) Badiou sieht sich missverstanden, er meint darauf, dass ein Neues nicht das Alte entwerten müsse. Man gehe von einer Situation aus wie sie ist, Emanzipationspolitik geht aber über diese dann hinaus. „Und ich sage ganz einfach, dass der gegenwärtige geschichtliche Moment dieser Emanzipationsgeschichte sich unter dem Namen Kommunismus erfüllen wird, aus Gründen seiner inneren Substanz. Das ist alles.“ (S. 140)

 

Badiou, Alain;  Finkielkraut, Alain: Klartext. Eine Kontroverse. Wien: Passagenverlag, 2014.  153 S., € 19,90 [D], € 19,90 [A], sFr 21,30  ISBN 9-783709-200384.