David J. Chalmers

Realität+

Ausgabe: 2023 | 4
Realität+

David J. Chalmers lehrt an der New York University. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Auseinandersetzung mit Virtuellen Realitäten (VR). Dabei interessiert ihn weniger, wie sich die Technologie der VR entwickeln wird. Er wirft die grundlegende Frage auf, was denn eine „Virtuelle Realität“ eigentlich sei. Und beim Beantworten dieser Frage kommt er zu Schlüssen, die unser herkömmliches Denken über diese Technologien verändern – sollte man ihm zustimmen wollen.

Er stellt in Frage, ob wir überhaupt in der „richtigen“ Realität leben oder uns bereits in einer Computersimulation befinden. Diese bekannte „Simulationshypothese“ leitet ihn an, zu hinterfragen, wie wir diese Situation überhaupt erkennen könnten. Jedenfalls müsste diese simulierte Welt vollständig immersiv sein: Wir nähmen sie mit allen unseren Sinnen wahr. Und auch unser Bewusstsein wäre simuliert. Dann wäre die Simulation nicht zu erkennen (vgl. S. 66). Weiters stellt er uns die Ideen der Digitalen Physik vor. Diese geht davon aus, dass Materie – Moleküle, Quarks oder sonst etwas – auf Bits basiert. Korrekter formuliert: Materie realisiert sich aus Bits, aus Information. Wichtig ist der Begriff des „Realisierens“. Er bedeutet bei ihm verwirklichen oder „wirklich machen“. Atome realisieren Moleküle, Moleküle realisieren Zellen. „Vertreter der digitalen Physik hoffen nun, dass wir aus ihr so etwas wie unsere derzeitige Physik herleiten können. In diesem Fall gäbe es eine zugrundeliegende Ebene, die aus Bits besteht, welche nach einem bestimmten Algorithmus miteinander interagieren. Damit könnten wir aus dieser Interaktion von Bits Teilchen und Wellen mit Masse und Ladung konstruieren, die ihrerseits in Raum und Zeit interagieren. Die gegenwärtige Physik wäre dann auf ganz ähnliche Weise eine Konsequenz der digitalen Physik, wie die Thermodynamik eine Konsequenz der statistischen Mechanik ist“ (S. 223). Chalmers kombiniert seine Erkenntnisse aus diesen Auseinandersetzungen zu der These, dass virtuelle Welten keine Illusionen oder Fiktionen seien. Was in der VR passiert, geschehe wirklich: Schließlich seien alle Realitäten auf Bits aufgebaut. Die Gegenstände, denen wir in der VR begegnen, seien dann nicht zu unterscheiden von anderen Realitäten. Das sei auch nicht weiter schlimm. Das Leben in virtuellen Welten könne im Prinzip genauso gut und sinnvoll sein wie das Leben „außerhalb“. Und man könne ohnedies nicht ausschließen, dass wir uns schon in einer virtuellen Welt befänden.