Clare Mac Cumhaill, Rachael Wiseman

The Quartet

Ausgabe: 2023 | 2
The Quartet

„Praktisch alle großen europäischen Philosophen waren Junggesellen.“ So begann ein Manuskript für eine Radiosendung der BBC, befasst von der Philosophin Mary Midgley (S. 11). Es wurde abgelehnt – wegen, wie es hieß, eines trivialen und irrelevanten Eindringens privater Angelegenheiten in den intellektuellen Diskurs. Midgleys Argument allerdings zielte in eine andere Richtung. Sie fragte, ob der für die westliche philosophische Tradition so charakteristische Skeptizismus, Individualismus und Solipsismus vielleicht in der Lebenssituation der Denker wurzelt, die ihn – fernab des wirklichen Lebens – ersonnen haben. Ganz ähnlich schrieb Midgleys Weggefährtin Elizabeth Anscombe, „dass jeder Versuch, uns selbst zu verstehen, seinen Ausgang von der Tatsache nehmen muss, dass wir lebendige Wesen sind“ (S. 17). Zusammen mit Philippa Foot und Iris Murdoch bilden die beiden das „Quartet“ des Buchtitels: vier kämpferische Frauen, die in Oxford eine neue Philosophie begründeten, die den Menschen wieder in den Mittelpunkt rückt.

Die Autorinnen Clare Mac Cumhaill und Rachael Wiseman, selbst Philosophinnen an britischen Universitäten, rekonstruierten die Geschichte der Vier auf der Grundlage von Erzählungen, Biografien, Tagebüchern und Archivmaterial. Das Buch bietet Einblicke in das (männlich dominierte) intellektuelle Leben in England am Beginn des Zweiten Weltkriegs und eine Einführung in philosophische Grundfragen anhand des damaligen Richtungsstreits in der Philosophie. Es war die Zeit, als der logische Positivismus der Philosophie die Metaphysik austreiben wollte und ein Nachdenken über Sinn, Sein und Existenz als „Unsinn“ abtat. Nur beobachtbare Tatsachen sollten gelten. Demgegenüber suchten die vier Frauen die Philosophie aus dem menschlichen Leben, aus der Existenz heraus neu zu begründen. Sie begriffen den Menschen als metaphysisches Lebewesen, das nicht aufhöre, nach seinem Wesen und seiner Bestimmung zu fragen –  „keine Rechenmaschine, sondern ein soziales, kreatives, neugieriges und spirituelles Tier“ (S. 187). Ihre Geschichte eröffnet somit „eine Gegenerzählung zu der normalerweise erzählten Geschichte der Philosophie im 20. Jahrhundert“ (S. 18): die Geschichte einer philosophischen Auseinandersetzung, „die die Philosophie wieder zurück ins Leben bringt“ (S. 19).