Club of Rome, Wuppertal Institut (Hg.)

Earth for All Deutschland

Ausgabe: 2025 | 2
Earth for All Deutschland

Expert:innen des Wuppertal Instituts haben die Szenarien des aktuellen Club of Rome-Reports „Earth for All“ auf Deutschland übertragen. Beschrieben werden die fünf Wenden des Berichts – die Armuts-, Ungleichheits-, Empowerment-, Ernährungs- und Energiewende mit Bezug auf die Bundesrepublik, ergänzt um ein Kapitel zu einer „zirkulären Ökonomie“, also einer Kreislaufwirtschaft. Gehofft wird auf soziale Kippmomente, die Erfolgsgeschichte des grünen Stroms in Verbindung mit dem Erneuerbare-Energie-Gesetz wird als Beispiel dafür genannt. Wie der Club of Rome-Bericht gehen die Autor:innen davon aus, dass die Transformation nur mit einer sozialen Abfederung für die Einkommensschwächeren sowie mit neuen Rahmenbedingungen für die Unternehmen und Märkte gelingen wird und alle Wenden ineinandergreifen müssen. Mit seinen ambitionierten Zielen wie „Treibhausgasneutralität bis 2045“ könne Deutschland ein Vorreiter und Vorbild für andere Staaten werden. Dafür müssten aber mehr Anstrengungen im Sinne des „Giant Leap“-Szenario des Club of Rome erfolgen, so die Einschätzung. Im Buch werden einmal mehr Fakten zu den einzelnen Wenden aufgezählt, wertvoll sind jedoch insbesondere die zahlreichen unterbreiteten Vorschläge für die Transformation. Denn das Wissen über die Notwendigkeit von Veränderungen allein werde nicht reichen: „Es gilt auch herauszufinden, welche Maßnahmenpakete und Rahmensetzungen der Politik es gibt, welche Interessen der Wirtschaft, welche Machtverhältnisse, welche Umsetzungshemmnisse und welche breiten Akteursallianzen möglich sind“ (S. 16).

Die Neujustierung von Fördersystemen, die derzeit häufig weder ökologisch noch sozial treffsicher seien, wird ebenso angesprochen wie die Umsetzung höherer vermögensbezogener Steuern und ein stärkerer Beitrag Deutschlands zur Überwindung der Armut in Ländern des Globalen Südens. Ein „Fonds zur Ertüchtigung der kommunalen Infrastrukturen“ (S. 95) – so ein weiterer Vorschlag – soll den finanzschwachen Kommunen die Finanzierung von Zukunftsinvestitionen ermöglichen.

Im Sinne der Empowerment-Wende fordert das Team des Wuppertal Instituts einen höheren Anteil von Frauen in Führungspositionen, eine bessere Aufteilung der Care-Arbeit sowie ein reformiertes Bildungssystem, das Chancengerechtigkeit fördert. Spannend sind auch die Vorschläge zur Ernährungswende. Die Zahl der verschiedenen in Supermärkten angebotenen Lebensmittel habe sich seit den 1960er-Jahren verfünffacht, die Ernährungskultur habe jedoch abgenommen, wie die Zunahme ernährungsbedingter Krankheiten zeige, so die Autor:innen. Lebensmittelpreise müssten die tatsächlichen Produktionskosten widerspiegeln, die Agrarsubventionen der EU wären auf ökologische Produktionsweisen zu fokussieren und mit gestaffelten Mehrwertsteuern sollten Anreize für gesunde Ernährung geschaffen werden. Vorgeschlagen werden Null Steuer auf Obst und Gemüse, dafür ein höherer Steuersatz auf tierische Produkte. Die Abschaffung der Mehrwertsteuervergünstigung auf tierische Erzeugnisse – derzeit werden 7 statt 19 Prozent eingehoben – würde dem Staat insgesamt vier bis fünf Milliarden Euro Mehreinnahmen pro Jahr bringen, so eine Berechnung. Fleisch aus Massentierhaltung sollte „perspektivisch“ (S. 171) „vollständig aus dem Markt genommen werden“ (ebd.).

Bleibt die Energie- und Rohstoffwende. Hier wird neben dem weiteren Ausbau der Erneuerbaren Energieträger insbesondere die Einsparung von Energie genannt, angetrieben durch eine höhere Sanierungsquote, die Umstellung auf industrielle Abwärme und die bessere Beratung von Hauseigentümer:innen, etwa durch eine „unabhängige Bundeseffizienzagentur, die von regionalen Energieagenturen und Effizienznetzwerken unterstützt wird“ (S. 197). Verwiesen wird hier auch auf die Problematik der Schuldenbremse, da die Finanzierung von Energieinfrastrukturprojekten eine Mehrgenerationen-Aufgabe sei.  Notwendig sei aber zudem mehr Suffizienz, die nicht als Verzicht, sondern als Zugewinn kommuniziert werden könne, wenn die Transformation fair und mit entsprechenden öffentlichen Infrastrukturen etwa im Öffentlichen Verkehr verbunden werde. Um den „Giant Leap“ zu schaffen, müssten Rohstoffe zukünftig im Kreislauf gehalten werden. Vorgeschlagen werden u. a. die Ausweitung der Reziklateinsatzquoten auf mehrere Produktklassen, Reparaturgarantien für Geräte oder die Nutzung von Abfällen als Rohstoffe in „industriellen Symbiosen“ (S. 228). Und wie sollen die Wenden nun praktisch umgesetzt werden? Die Autor:innen setzen hier auf ein Multiebenensystem. So werden im Schlusskapitel Empfehlungen für alle Akteursbereiche gegeben.