Die Zuhälter der Globalisierung

Ausgabe: 2008 | 3

Die politische Journalistin Loretta Napoleoni – sie arbeitet für führende Zeitungen wie „Corriere de la Sera“ und „Le Monde“ – hat mit „Die Ökonomie des Terrors“ (s. PZ 2/2004*112) internationales Aufsehen erregt. In ihrem neuen Buch zeigt die Autorin auf, wie die legale und illegale Bereicherung durch Ausbeutung anderer Menschen seit dem Sieg des Kapitalismus an Umfang und Brutalität zugenommen hat. Der Grund dafür liege darin, dass Schurkenwirtschaft, so Napoleoni, in Umbruchsituationen besonders gedeihe.

 

Nicht von ungefähr datiert sie die Verrohung des globalen Wirtschaftssystems daher mit dem Zusammenbruch des Kommunismus und belegt dies gleich im ersten Kapitel mit dem Aufschwung des Prostituiertenhandels in Osteuropa sowie der Etablierung der Neureichen in den Nachfolgestaaten der UdSSR. Die im Zuge des gewalttätigen Zerfalls Jugoslawiens entstandene kriminelle Ökonomie in der Region bringt Napoleoni mit der Ausweitung der Aktivitäten der italienischen ´Ndrangheta, einem Abkömmling der Cosa Nostra, in Verbindung: diese soll die neuen Schmugglerwege für Menschen und illegale Waren nach Europa über den Balkan organisiert haben.

 

Weitere Abschnitte sind der internationalen Piraterie, dem Drogenhandel, dem boomenden Pornomarkt, der mit dem Internet neue Umsatzrekorde verzeichnet, der zunehmenden Kriminalität und Bandenbildung in den Städten der Wohlstandszonen, aber auch den Machenschaften von „Finanzdienstleistern“ wie Hedge Fonds gewidmet. Napoleoni hat ausgiebig recherchiert; sie reiht Schändlichkeit an Schändlichkeit – so werden natürlich auch die ausbeutenden Arbeitsbedingungen in den ausgelagerten Fabriken („Produktionszonen“) in Lateinamerika und Asien oder die Kriegsökonomien in Afrika thematisiert.

 

Die Autorin weist auf die wunden Punkte der Welt zu Beginn des 21. Jahrhunderts hin und zeigt an zahlreichen Beispielen, wie eine deregulierte Wirtschaft aus den Fugen gerät. Das ist das Verdienst ihres Buches, doch Lösungsvorschläge darf man nicht erwarten – möglicherweise mit einer Ausnahme: Der wirtschaftliche Aufstieg Chinas und islamischer Staaten wird ein neues Gegengewicht schaffen und den Reichtum der Welt neu verteilen, so die Hoffnung der Autorin. Als ausgewiesene Kennerin des Nahen Ostens lobt sie das islamische Finanzsystem, das auf einem Spekulationsverbot basiere und nur Investitionen in ethisch vertretbare Bereichen erlaube (Geldgeschäfte erfordern Gutachten von geistlichen Rechtsgelehrten, so genannte „Fatwas“). Napoleoni nennt Malaysia, das sich im Zuge des Zusammenbruchs der asiatischen Finanzmärkte 1997 als erster Staat von den Vorgaben von IWF und Weltbank losgesagt hat, als Beispiel für dieses neue Finanzsystem, welches sich mittlerweile auf andere islamische Länder ausgebreitet habe.

 

Die regulierten Wirtschaftens Chinas sowie des Islam würden in Zukunft der „unregulierten Schurkenwirtschaft“ zusetzen, ist die Autorin jedenfalls überzeugt, und helfen diese in die Schranken zu weisen. „Die neue Weltordnung wird von einer unsichtbaren Achse regiert, die sich von Beijing nach Kapstadt erstreckt“ (S. 242), so beschreibt Napoleoni ein mögliches Zukunftsszenario. Afrika und der Nahe Osten werden die notwendigen Ressourcen für die neue Führung der Weltwirtschaft liefern, Europa und Amerika ihre Macht verlieren.

 

Auch wenn die Themen des Buches teilweise etwas unvermittelt nebeneinander stehen – offensichtlich hat die Journalistin aus ihrem reichen Fundus an Reportagen geschöpft –, so beschreibt es doch die dunklen Flecken des „westlichen Wirtschaftssystems“, das sich selbst so gerne Freiheit und Menschenrechte auf die Fahnen schreibt. Es erinnert daran, dass wir als KonsumentInnen tief in dieses System verstrickt sind, ohne es sehen zu wollen. Der Ausblick auf eine andere Weltwirtschaft zeigt schließlich, dass Alternativen denkbar sind, auch wenn keineswegs garantiert ist, dass diese vor Korruption gefeit wären. H. H.

 

Napoleoni, Loretta: Die Zuhälter der Globalisierung. Über Oligarchien, Hedge Fonds, ´Ndrangheta, Drogenkartelle und andere parasitäre Systeme. München: Riemann, 2008. 382 S., € 19,- [D], 19,60 [A], sFr 33,25

 

ISBN 978-3-570-50090-3