Die große Hoffnung für das 21. Jahrhundert?

Ausgabe: 2001 | 4
Die große Hoffnung für das 21. Jahrhundert?

Perspektiven und Strategien für die Entwicklung der DienstleistungsbeschäftigungVor dem Hintergrund problematischer Beschäftigungs- und Arbeitsmarktentwicklungen in Europa wurde v. a. dem Dienstleistungssektor zugetraut, eine Stabilisierung der Beschäftigung herbeizuführen. In den vorliegenden 19 Beiträgen wird versucht, sowohl ihre Dynamik als auch ihre Potentiale im Hinblick auf die Qualität künftiger Arbeitsverhältnisse nachzuzeichnen und im Ländervergleich Lösungsvorschläge für Deutschland nutzbar zu machen.

Hierzulande ist, so die These eines der Herausgeber, erst eine durchgreifende Expansion von Dienstleistungsbeschäftigung zu erwarten, wenn der „Abschied vom Industrialismus“ als institutionellem und normativem Gesellschaftsgefüge gelungen ist. Um den veränderten Arbeits- und Anforderungsstrukturen in einer wissensbasierten Dienstleistungsökonomie gerecht zu werden, sieht Martin Baettge im wesentlichen vier zentrale Veränderungsdimensionen, die in Zukunft qualifizierte Dienstleistungsarbeit prägen werden: Virtualisierung der Arbeitsprozesse, Vernetzung und Entgrenzung der Handlungsstrukturen und Kommunikation, rapide Beschleunigung von Arbeits- und Innovationsprozessen sowie die zunehmende Individualisierung von Arbeitsabläufen.


Der zweite Teil des Buches ist innovativen Beschäftigungsformen gewidmet, die zunehmend Bedeutung gewinnen und den Charakter der Erwerbsarbeit verändern werden. Dabei geht es etwa um die Frage, ob die Aufhebung der Ortsgebundenheit von Arbeit zu stärker selbsbestimmten und selbstorganisierten Dienstleistungstätigkeiten führt (Telearbeit) oder ob neben der Qualitätsverbesserung der Arbeit auch für die Kunden eine Anhebung der Service-Qualität zu erwarten ist. Als Meilenstein für die Gestaltung computervermittelter Arbeit in Deutschland gilt der bei der „Deutschen Telekom“ ausgehandelte Tarifvertrag für Telearbeit. „Die in ihm festgeschriebene Form der alternierenden Telearbeit (teils Büro- teils Heimarbeit) könnte diese Form der Erwerbstätigkeit aus dem Zwielicht zwischen Hoffnung auf mehr Selbstbestimmung und Zeitsouveränität sowie der Unterordnung des Privatlebens unter die Imperative des Betriebes be-freien.“ (S. 14) Vor allem im Einzelhandel, dem mit 15% Anteil größten Dienstleistungszweig in der EU, zeigt sich aber gegenwärtig noch ein düsteres Bild. Dort lässt der „Mythos Flexibilität“ offensichtlich immer weniger Raum für stabile und sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, existenzsichernde Ein-kommen und planbare Arbeitszeiten. Jürgen Glaubitz hofft in Zukunft auf ein „Mehr“ an Beratung, Service und Kundendienst an Stelle von immer größeren Verkaufsflächen und Dauertiefpreisen.

Insgesamt zeigt der Blick auf beschäftigungspolitisch erfolgreichere Länder als die Bundesrepublik (z. B. Dänemark und Niederlande), dass es keinen Sinn macht, Marktlösungen und staatliche Intervention gegeneinander auszuspielen. Vielmehr gilt es, den Ausbau atypischer Beschäftigung (Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigung) auch in anspruchsvollen Tätigkeiten weiter zu entwickeln. Am ehesten scheint ein Mix unterschiedlicher wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen geeignet, die Hoffnung auf Erfolge bei der Bekämpfung der Massenarbeitslosigkeit einzulösen. Nach der Lektüre solch konstruktiver Beiträge fragt man sich allerdings immer wieder, warum die Politik gar nicht oder nur schwerfällig auf solche Vorschläge reagiert. A. A.

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