Die gefälschten Bilanzen der Wirtschaftsideologien

Ausgabe: 1991 | 3

„Im Himmel wie auf Erden ist die Schöpfung Chefsache", schreibt Stern, und legt in einem von verständlichem Sarkasmus und mutig kritischer Analyse geprägten Aufsatz dar, dass aller Rhetorik zum Trotz allenthalben falsch bilanziert und die Natur unwiederbringlich ruiniert wird. Wo landwirtschaftlich und industriell genützte "Wirtschaftsnatur" und ökologisch weitgehend unbelastete „Naturwirtschaft" ein Flächenverhältnis von 9:1 ausweist, die "verfichtung" der Wälder, die Vergiftung von Luft und Boden fortschreiten, haftet der Forderung nach .Ersatzinvestitionen " zugunsten der Restnatur der Charakter von Effekthascherei an: Dieser freilich frönen Unternehmen, die den Schutz der Umwelt auf ihre Aktien geschrieben haben, um altbekannte Absichten naturkosmetisch zu übertünchen. Wer der Natur, soweit sie diesen Namen noch verdient das Schicksal der Indianer Nordamerikas zuweist, indem er ihr bestenfalls den Status eines Zoos einräumt, sollte erkennen, dass der Mensch selbst als Teil der beschädigten Schöpfung in die Bilanzen der Wachstumsgesellschaft mit einzubringen ist, So betrachtet, ist der Bau von Kläranlagen und Filtersystemen noch kein Akt der "Versöhnung", sondern "Ausdruck eines Mindestmaßes an menschlichem Anstand, mehr nicht.". 

Stern, Horst: Baum oder Zahl. Konjunktur gegen die Natur: Die gefälschten Bilanzen der Wirtschaftsideologien zeigen warum die vielbeschworene "Versöhnung zwischen Ökonomie und Ökologie" blanker Mumpitz ist. In: Die Zelt. Nr. 26 v. 21. Juni 1991. S. 52