Die Soziologie versteht sich mitunter als eine Grunddisziplin der Sozialwissenschaften. So stellt sie an sich selbst den Anspruch, nicht nur vergangene und gegenwärtige Prozesse deutend verstehen zu wollen. Es ist auch notwendig, soziale, ökonomische und politische Entwicklungen und Trends zu prognostizieren. Das vorliegende Buch untersucht in erster Linie die Instrumente, die den Sozialwissenschaften hierfür zur Verfügung stehen und fragt danach, welche Begriffe, Forschungsmethoden und gesicherten empirische Befunde für Prognosen künftiger Entwicklungen verfügbar sind.
Exemplarisch werden fünf aktuelle zentrale gesellschaftliche Problembereiche (politische Ordnung, soziale Ungleichheit, Wertewandel und Integration, soziale Bewegungen und Informationsgesellschaft) in bezug auf die (bisherige und gegenwärtige) prognostische Leistungsfähigkeit der Soziologie behandelt. Die AutorInnen plädieren durchwegs dafür, daß sich die Sozialwissenschaften mehr mit Zukunftsforschung auseinandersetzen, sich verstärkt in politische Diskussionen einbringen sollten. Prognosen wären in vielen Bereichen gefordert - bei politischen Entwicklungen ebenso wie bei den vielen Fragezeichen, die die rasanten Entwicklungen in Informationsgesellschaften mit sich bringen, um nur zwei Beispiele zu nennen.
Die Einschätzungen sind äußerst vorsichtig, skeptisch und selbstkritisch. Die AutorInnen stellen keine utopischen Forderungen an ihre Disziplin und sich selbst, die Möglichkeiten und Grenzen der akademische Realität werden nie außer Acht gelassen. Dieter Ruchts Beitrag „Ökologische Frage und Umweltbewegung im Spiegel der Soziologie“ sei hierfür stellvertretend hervorgehoben: „Inzwischen wissen wir, daß viele soziale Prozesse einer nichtlinearen Dynamik folgen, gekennzeichnet durch abrupte Trendwenden, Schwellenwerteffekte, Eskalationen und chaotische Fluktuationen, die sich in ihrer Summen- und Wechselwirkung nicht prognostizieren lassen“ (S. 425). Mit diesem Wissen sollen SozialwissenschafterInnen Prognosen durchaus wagen. Dazu ermutigt das Buch. Es bietet zudem konkrete Beispiele sowie theoretische und methodische Anregungen. I. B.
Die Diagnosefähigkeit der Soziologie. Hrsg. v. Jürgen Friedrichs ... Opladen: Westdt. Verl., 1998. 453 S. (Sonderheft 38/1998 der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie) DM 89,- / sFr 81,- / öS 649,-