Der Ursprung des Kapitalismus

Ausgabe: 2016 | 1

Ellen Meiksins Wood war eine führende Denkerin der nordamerikanischen Linken. Sie war Redaktionsmitglied der New Left Review und Mitherausgeberin der Monthly Review. Sie lehrte seit 1967 Politikwissenschaft an der York University in Toronto, verstarb heuer im Januar. Der Laika-Verlag legt nun ihre Werke auf Deutsch auf, im ersten Band geht es um den „Ursprung des Kapitalismus“, ein Werk, das 2002 als „Origins of Capitalism“ auf Englisch erschienen ist.

Der Kapitalismus ist für die Autorin keine natürliche und unvermeidliche Konsequenz der menschlichen Natur oder der uralten Neigung, miteinander zu handeln und zu tauschen. „Er ist ein spätes und lokal begrenztes Projekt sehr spezifischer historischer Bedingungen.“ (S. 221) Er habe sich aber durch einen Expansionsdrang ausgezeichnet, der dazu führte, dass er sich geographisch ausweitete, aber auch gesellschaftliche Veränderungen und eine Transformation des menschlichen Metabolismus mit der Natur zur Versorgung mit den grundlegenden Notwendigkeiten des Lebens zur Folge hatte. Dieser Drang ist nicht linear zu sehen, sondern als widersprüchlich und instabil; er erforderte  die nicht-ökonomische Intervention, um Ungleichgewichte zu korrigieren.Bei Meiksins Wood führen die spannenden historischen Einlassungen (nicht nur) ins 16. Jahrhundert nach England. Dort stellt sie zwei Besonderheiten fest, die zu einer anderen wirtschaftlichen Entwicklung Anstoß geben sollten. Zum einen war die Aristokratie in England früher als am Kontinent entmilitarisiert worden. Sie stand einer zentralisierten Monarchie gegenüber, der sie an physischer Macht wenig entgegenzusetzen hatte. Andererseits war England ein Land, in dem der Landbesitz seit langem ungewöhnlich konzentriert war. Den lokalen Eliten fehlte es also an politischer Macht, was sie aber durch ökonomische Macht zu kompensieren versuchten. „Diese besondere Kombination hatte gravierende Konsequenzen. Auf der einen Seite bedeutete die Konzentration des englischen Landbesitzes, dass ein ungewöhnlich großer Teil des Landes nicht von bäuerlichen Besitzern, sondern von Pächtern bestellt wurde. (…) Auf der anderen Seite führte die relativ schwache außerökonomische Macht der Grundherren dazu, dass diese weniger von ihrer Fähigkeit abhängig waren, durch direkte Zwangsmaßnahmen höhere Abgaben aus ihren Pächtern herauszupressen, als vom Erfolg ihrer Pächter in der konkurrenzförmigen Produktion. Agrarische Grundherren hatten in diesem Arrangement einen starken Anreiz, die Pächter dazu anzuspornen – und soweit wie möglich, dazu zu zwingen – Wege zu finden, durch die Steigerung der Arbeitsproduktivität Kosten zu reduzieren.“ (S 118)

Meiksins Wood beschreibt die Ursprünge des Kapitalismus eben nicht nur theoretisch und abstrakt. Sie widmet sich ausführlich frühen Formen und beschreibt in der Folge den Zusammenhang mit dem Handel. Die Voraussetzungen für den materiellen Aufschwung im frühzeitlichen England stellt dabei die Autorin auch in ihrer Widersprüchlichkeit dar. Denn dieser ging mit Enteignung und Ausbeutung einher. Darauf aufbauend konnten neuere und effektivere Formen der kolonialen Expansion für die Suche nach neue Märkten, Arbeitskräften und Ressourcen gebildet werden. Ein gut zu lesendes, klar argumentierendes, historisch informiertes Buch. (S.W.)

 Meiksins Wood, Ellen: Der Ursprung des Kapitalismus. Eine Spurensuche. Hamburg: Laika, 2015. 231 S., € 28,- [D], 28,85 [A] ; ISBN 978-3-942281-67-6