Demokratiefähigkeit

Ausgabe: 1997 | 1

Die wechselseitigen Befürchtungen und Vorwürfe zwischen jenseits- und diesseitsfixierten Gläubigen und deren Institutionen werden immer mehr zum Ärgernis für politisch bewußte und engagierte Menschen. Ihre Zweifel bündelt Johann Baptist Metz in der Frage, wie sich Monotheismus und Demokratie vertragen, wie demokratiefähig religiös Sozialisierte sind. Wie es u. a. Jürgen Moltmann skizziert, werden hierarchische Kirchen- und Staatskonzepte durch kommunitäre, basisorientierte Gruppierungen immer wieder herausgefordert Wenn Menschen v.a. in Zeiten existentieller Bedrohung - von Institutionen, die ihrem Selbstverständnis nach Schutz und Unterstützung gewähren sollten, nicht nur keine Unterstützung, sondern sogar Unterdrückung erfahren, dann verschärfen sich klarerweise gesellschaftliche Konflikte. Wie weit aber darf die Parteinahme "für die Armen und unterdrückten anderen" gehen, wenn sie über den karitativen Ansatz hinaus auch zu politischem Engagement führt? Dorothee Sölle skizziert in ihrem knappen Text die Gewaltbereitschaft von unten, oben und von innen heraus und ruft zum radikalen Bruch damit auf. "Daß es der Demokratie heute bei uns an Verlockung, an Kraft, an Vision fehlt, hängt mit der Unfähigkeit, auf Gewalt zu verzichten, zusammen." Daß in den unterschiedlichen Gemeinschaftsformen des Kommunitarismus nicht nur Überleben organisiert, sondern auch die Bereitschaft zur Mitarbeit in politischen Strukturen grundgelegt wird, schildern deutsche wie lateinamerikanische Theologen aus ihren unterschiedlichen Erfahrungswelten. In der Kritik am Brasilianer Paulo Suess und seiner "Option mit den Armen" zeigt sich aber auch die Besserwisserei einiger weniger eurozentrischer Intellektueller: Ihnen   scheint sprachlicher Dogmatismus wichtiger zu sein als das mühsame Beschreiben letztlich unfaßbarer Dimensionen des Zusammenlebens - mit "den anderen", der Mitwelt und mit Gott. Dabei wird spürbar, daß der eigentliche Dialog oft nicht zwischen Buchdeckeln und in Universitäten, sondern in den Basisgemeinschaften und Bürgerbewegungen trotz aller Bedrohungen - weiter gedeiht. M Rei.

Demokratiefähigkeit. Hrsg. v. Jürgen Manemann. Münster: LfT-Verl., 1996. (Jahrbuch Politische Theologie; 1)