Greta Thunberg

Das Klima-Buch von Greta Thunberg

Ausgabe: 2023 | 2
Das Klima-Buch von Greta Thunberg

Von Beginn an macht Greta Thunberg deutlich: Einzelne kleine Maßnahmen reichen nicht. Es steht ein grundlegender Wandel unserer Art des Wirtschaftens, Konsumierens und Mobilseins an. Über 100 Expert:innen, Aktivist:innen sowie Autor:innen  hat die Klimaaktivistin  gewonnen, den aktuellen Stand der Klima- und Nachhaltigkeitsforschung zusammenzufassen. Jeweils beleuchten die Eingeladenen ein spezifisches Thema in gut verständlicher Sprache. Etwa 50 der insgesamt knapp 500 Seiten des Buches stammen von Thunberg selbst. Sie leitet über zu den jeweiligen Abschnitten und versieht diese mit pointierten Kommentaren. Entstanden ist eine spannende Enzyklopädie des aktuellen Klimawissens.

Fünf große Bereiche

Gegliedert ist das Werk in fünf Teile. „Um dieses Problem zu lösen, müssen wir es zuerst verstehen“ – damit leitet Thunberg den Einführungsteil „Wie das Klima funktioniert“ ein. Der Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung Johan Rockström erklärt Kipppunkte und Rückkopplungsschleifen. Naomi Oreskes, Professorin für Wirtschaftsgeschichte, hat aufgedeckt, wie die Ölindustrie die frühen Warnungen vor den Auswirkungen des Verbrennens fossiler Rohstoffe vertuscht hat. Für Thunberg erzählt sie die Geschichte nochmals. Dies nur als zwei Beispiele aus dem informativen Einführungsteil. Es folgt ein Abschnitt über die Folgen der menschengemachten Klimaveränderung („Wie unser Planet verändert wird“). Hier werden einmal mehr die Auswirkungen der Erderwärmung auf die Ökosysteme beschrieben – neben meteorologischen und klimatologischen Fragen wird dabei auch mehrfach das Artensterben thematisiert. Der Generaldirektor der Weltgesundheitsorganisation Tedros Adhanom Ghebreyesus leitet den dritten Abschnitt „Die Folgen für uns“ ein. Fünf Prozent der aktuell 21 Millionen Malariafälle jährlich werden 2030 laut einer WHO-Studie auf den Klimawandel zurückgehen. Mehrfach verweist Thunberg auf das Thema Klimagerechtigkeit, wenn sie meint „Wir sitzen nicht alle im selben Boot“ (S. 166). Zu Wort kommen Expert:innen aus den am meisten betroffenen Ländern, etwa der Direktor des International Centre for Climate Change und Development Bangladesh Saleemul Huq, die Koordinatorin der Association of the Indigenous Women Hindou Oumarou Ibrahim aus der Region um den Tschadsee oder die indigene Aktivistin Sônia Guajajara aus Brasilien.

„Was wir dagegen unternommen haben“

„Was wir dagegen unternommen haben“ – die Überschrift zu Teil vier ist ironisch gemeint, dahinter verbirgt sich die Enttäuschung der Klimaaktivistin. „Wie können wir unser Versagen ungeschehen machen, wenn wir nicht mal zugeben können, dass wir versagt haben?“, fragt sie (S. 218). Beschrieben werden hier die Chancen und Grenzen technologischer Lösungen zur CO2-Abscheidung, die Skepsis gegenüber klimaneutralem Heizen mit Holz (dargelegt von Karlheinz Erb und Simone Gingrich von der Universität für Bodenkultur in Wien) oder die ambivalenten Hoffnungen auf E-Mobilität. Jillian Anable und Christian Brand von der University Oxford legen dar, dass die Umrüstung auf E-Antriebe bei einer Lebensdauer der Fahrzeuge von 15-20 Jahren, bei Flugzeugen und Schiffen sind es noch mehr, viel zu spät kommt. Sie plädieren für sofortige Geschwindigkeitsbeschränkungen, die unmittelbar die Treibhausgase maßgeblich verringern würden, und für die generelle Reduzierung des Verkehrsaufkommens. Der Übergang zu erneuerbaren Energien wiederum geschieht viel zu langsam, wie die Ausführungen von Bill McKibben, dem Initiator der Divestment-Bewegung, sowie dem IPCC-Hauptautor Glen Peters zeigen. Mehrere Beiträge widmen sich dem Thema Ernährung.

„Was wir jetzt tun müssen“

Der letzte Abschnitt der Klima-Enzyklopädie widmet sich schließlich der Aufgabe „Was wir jetzt tun müssen.“ Auch hier kommen namhafte Expert:innen zu Wort, wie die Begründerin der Donut-Ökonomie Kate Raworth (sie plädiert für die Konzentration auf universelle Grunddienstleistungen sowie Eingriffe in die Märkte), die Harvard-Professorin Erica Chenoweth, bekannt durch ihre Studien zur Transformation durch soziale Bewegungen (3,5 Prozent Aktive sowie 25 Prozent Zustimmende würden reichen, politische Wenden herbeizuführen, dabei sei es wichtig, Menschen aus mächtigen Institutionen für die Anliegen zu gewinnen, so ihre Aussage) oder der Wachstumskritiker Jason Hickel, der eine Überwindung des kapitalistischen Systems durch einschneidende Reformen fordert. Thunberg selbst sowie George Monbiot vom Guardian und der Klimaforscher Micheal E. Mann mahnen die Verantwortung der Medien sowie ein Ende des Verleugnens ein.

Ein beeindruckendes Werk

Soweit ein exemplarischer Streifzug durch das umfangreiche Kompendium, das mit konkreten Vorschlägen endet, was wir als Bürger:innen und Gesellschaft tun können, um die Klimaerwärmung noch einzubremsen. Ein beeindruckendes Werk, wenn man – wie die Aktivistin – weiterhin an die Kraft der Aufklärung glaubt.